In zehn Wochen geht in Rio de Janeiro das sportliche Großereignis über die Bühne - die Olympischen Sommerspiele. Bei einer Kinderpressekonferenz wurde Rio de Janeiro mit all seinen Schattenseiten "zu uns" gebracht, denn zwei Kinder berichteten, was sich für sie alles verändert hat. Angefangen beim Wasser, das krank macht über Polizisten, die Kinder schlagen bis hin zum stinkenden Müll, der auf der Straße liegen bleibt.

Denken wir ÖsterreicherInnen an Rio de Janeiro, haben die meisten wohl Strände und den Karneval  in Rio mit all den prächtigen Kostümen vor Augen. In der Realität sieht die Sache aber ganz anders aus. Bereits zum zweiten Mal richtet Rio nach der Fußball-WM 2014 ein sportliches Großereignis aus - dieses Mal die Olympischen Sommerspiele. Und die haben verheerende Folgen - sie verschlechtern die Lebenssituation und Perspektiven vieler junger Menschen von Rio de Janeiro.

Aus erster Hand

Ricardo da Conceicao Aquino und Leticia Silva Farias sind zwei 13-Jährige, die in der brasilianischen Millionenstadt leben. Und sie sind außerdem Mitglieder des Zirkus- und Kinderrechteprojekts "Se essa rua fosse minha" (SER). Bei ihrem Österreich-Besuch auf Einladung der Dreikönigsaktion bewarben sie die Initiative "Nosso Jogo" für Menschenrechtsstandards bei großen Sportereignissen.

Falsch investiert

Die Stadtverwaltung von Rio gibt, ebenso wie 2014,  auch heuer wieder viel Steuergeld für die Vorbereitung und Austragung aus, das anderswo fehlt. In zahlreichen Schulen würden schon seit Monaten Schulmaterialien, Bücher oder sogar die Lehrergehälter nicht ausbezahlt, berichtete Ricardo. Selbst viele Schulbüchereien, Theatersäle oder Schwimmbäder seien aufgrund fehlender Mittel für die Instandhaltung geschlossen. An manchen Schulen hätten die Schüler bereits Protestbesetzungen gestartet.

"Die Stadt sagt den Leuten: Seid glücklich, dass ihr für Olympia ausgewählt worden seid. Doch man hätte sich vorher schon fragen sollen: Können wir uns das überhaupt leisten?", kritisierte Ricardo. Auch in Krankenhäusern fehle das Geld an allen Ecken und Enden, wodurch man bei Notfällen stundenlang warten müsse; durch das Sparen bei der Müllabfuhr verwandelten sich viele Straßen in Müllhalden und vielerorts gebe es kein sauberes Trinkwasser. Der öffentliche Verkehr sei abseits von Touristenzonen katastrophal, womit es an den Hauptstraßen täglich zu stundenlangen Staus komme. "Das ärgert mich - und auch die anderen Leute von Rio", so der 13-Jährige, der selbst in einem Armenviertel lebt.

Erwachsenenängste aus Kindermund

„Bei uns in der Favela haben wir viele große Probleme. Das Wasser ist nicht sauber. Wenn du das Wasser aus der Leitung trinkst, wirst du krank. Es ärgert mich, wenn ich im Fernsehen sehe, wie toll manche Plätze für Olympia herausgeputzt werden. Bei mir im Viertel sind die Wege zu den Häusern sehr schlecht und es dauert lange, bis etwas hergerichtet wird. Aber am schlimmsten ist die Angst vor der Polizei. Ich habe schon öfters gesehen, wie ein Polizist einen Jungen schlägt und sie haben auch Pfefferspray verwendet. Von anderen hab ich gehört, dass sie auch schon viele Kinder und Jugendliche einfach erschossen haben. Sie schämen sich nicht, wenn sie es tun. Ich wünsche mir sehr, dass es weniger Gewalt gibt.“

Keine Freunde, keine Heimat

Besonders tragisch für Kinder sind jedoch die vielen Umsiedlungen von Armenvierteln, die die Stadt für Sportstätten oder zum bloßen Aufpolieren ihres Erscheinungsbildes durchführt. Den Angaben zufolge waren allein in Rio bereits 70.000 Menschen für die WM und für Olympia davon betroffen, manche mussten ihr Zuhause sogar binnen Stunden räumen. Ricardo: "Schlimm ist für die Kinder, dass sie damit auf einen Schlag alle Freunde verlieren und in der neuen Wohnumgebung oft nicht wieder in die Schule einsteigen können."

Auch Ricardo weiß Dramatisches zu berichten: „Die Stadt spart bei der Müllabfuhr. Ihr könnt euch vorstellen, wie der Müll bei über 30° stinkt, wenn er tagelang draußen vor der Tür steht. Dadurch gibt es auch viel mehr Moskitos – viele Menschen werden krank, bekommen Denguefieber und den Zikavirus.  Und wenn wir krank werden, gibt es keinen Arzt, den wir uns leisten können. Im Spital musst du stundenlang warten – auch wenn du ein Notfall bist.“

Nosso Jogo

Der Besuch der beiden Gäste der Dreikönigsaktion aus Rio de Janeiro ist Teil der Initiative Nosso Jogo – www.nossojogo.at, einer Allianz von über 100 österreichischen sowie 20 internationalen Partner/innen und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Die breit getragene Initiative macht Menschenrechtsverletzungen im Zuge von Olympia sichtbar und fordert vom Internationalen Olympischen Komitee verbindliche Menschenrechtsstandards für Sportgroßereignisse ein.