1912 trat das derzeitige Islamgesetz in Kraft - allein schon sein Alter ist deshalb Grund für eine Neufassung. Diese befindet sich momentan in der Vorbereitungsphase. Themen sind unter anderem Religionsunterricht, Bestattungskultur, Imam-Ausbildung und muslimische Feiertage. Das Gesetz regt nicht nur bei Nicht-Muslimen Diskussionen an, sondern sorgt auch zwischen den unterschiedlichen muslimischen Gruppierungen für Diskussionen.

Die Vorarbeiten für ein neues Islamgesetz in Österreich sind voll im Laufen, es wird dem Vernehmen nach in Kürze in Begutachtung gehen. Erste Eckpunkte wie der "Anwendungsvorrang des staatlichen Rechts" vor dem islamischen sowie Bestimmungen zum Religionsunterricht, zu Bestattungskultur, Seelsorge, Imame-Ausbildung und muslimischen Feiertagen sind bereits öffentlich bekanntgeworden. Das alte Islamgesetz aus dem Jahr 1912 zu reformieren sei deklariertes Ziel der Bundesregierung und Teil des Regierungsprogramms, sagte Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz jüngst im Ö1-Morgenjournal.

Die geplante Novellierung des Islamgesetzes soll noch heuer abgeschlossen werden, hieß es auch aus dem Büro des zuständigen Kanzleramtsministers Josef Ostermayer. Die Gespräche mit allen Beteiligten - neben der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) gibt es demnach auch Diskussionen mit kleineren muslimischen Verbänden und Vereinen - befänden sich in der Endphase.

Am Montag wurde Kritik laut, dass das zuständige Kultusamt die Gesetzesvorlage offenbar allein mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) abstimme, die laut der "Initiative Liberaler Muslime in Österreich" (ILMÖ) nur eine Minderheit der rund 500.000 Muslime im Land vertritt. Diese auch im Widerspruch zu einem Verfassungsgerichtshof-Entscheid stehende Vorgangsweise begünstige "die Fundamentalisten"; durch den IGGiÖ-Alleinvertretungsanspruch drohten Konflikte und womöglich gar ein "Flächenbrand", warnte der ILMÖ in einer Aussendung.

Die Kritik blieb freilich auf der formalen Ebene, inhaltlich gab es seitens der liberalen Muslime keine Beanstandungen: Gesetzlich verankert werden soll z.B., dass sich niemand unter Berufung auf den Islam außerhalb der staatlichen Gesetze stellen kann, und dass auch der islamische Religionsunterricht nicht im Widerspruch zur staatsbürgerlichen Erziehung stehen darf - laut dem Kirchenrechtler Richard Potz Selbstverständlichkeiten, die auch für alle anderen anerkannten Religionsgemeinschaften gelten.

Potz: Neufassung längst überfällig


Wie viele Fachleute hält Potz eine Neufassung des noch aus der Donaumonarchie stammenden Islamgesetzes für längst überfällig, erklärte er am Montag gegenüber "Kathpress". Analog zum 2013 novellierten Israelitengesetz gelte es z.B. die kategoriale islamische Seelsorge gesetzlich zu regeln, was derzeit bei Militär-, Krankenhaus- oder Gefängnisseelsorge durch muslimische Glaubensvertreter nicht der Fall ist. Auch beim islamischen Religionsunterricht könnte man sich an entsprechenden Regelungen im Konkordat mit dem Heiligen Stuhl bzw. dem Protestantengesetz orientieren, meinte Potz. Im Universitätsrecht sei die Ausbildung islamischer Geistlicher - Imame - in Österreich zu verankern.

Im Blick auf muslimische Feiertage erwartet der Wiener Rechtswissenschaftler eine Auflistung wie beim Israelitengesetz, jedoch ohne Auswirkungen auf das Arbeitsrecht. Die Islamische Glaubensgemeinschaft wünscht sich für Arbeitnehmer vom Gesetzgeber eine ähnliche Regelung wie für Schüler, die an diesen Tagen bereits freigestellt sind. Für IGGIÖ-Präsident Fuat Sanac kommt dafür auch unbezahlter Urlaub infrage, denn man wolle ja nicht weniger Tage im Jahr arbeiten.

Zur Kritik an der als Gesprächspartner fungierenden IGGiÖ erinnerte Richard Potz erneut an das Israelitengesetz, bei dessen Entstehung sich die liberalen Juden von "Or Chadasch" ebenso übergangen fühlten wie jetzt die liberalen Muslime - beides zahlenmäßig kleine Gruppierungen. Für Potz steht der Gesetzgeber vor der Entscheidung, ob er im neuen Islamgesetz möglichst alle muslimischen Organisationen berücksichtigt haben möchte, oder aber Unterschiede über das Bekenntnisgemeinschaftengesetz regelt - wie im Fall der seit 2013 staatlich anerkannten Religionsgesellschaft der "Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich" (ALEVI).

Die Stimmen für ein neues Islamgesetz sind nicht zuletzt beim 100-Jahr-Jubiläum des 1912 verabschiedeten Islamgesetzes laut geworden, das ein einem historisch völlig anderen Kontext entstand. Anerkannt wird darin die religiöse Überzeugung der "Anhänger des Islams nach hanefitischen Ritus" - also der in den damaligen K.u.K.-Provinzen Bosnien und Herzegowina lebenden Muslime.


kathpress