In seiner ersten Pressekonferenz erläuterte Ibrahim Olgun, der neue Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, seine Ziele und Vorstellungen. Er möchte damit zeigen, dass Muslime in der Mitte der Gesellschaft stehen.

Eine Neuausrichtung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) will deren neuer Präsident Ibrahim Olgun vornehmen. Bei seiner ersten Pressekonferenz kündigte er am Montag in Wien Qualitätsverbesserungen beim islamischen Religionsunterricht sowie der Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen an. Außerdem soll die Vision einer muslimischen Einrichtung, die parallel zu katholischer Caritas und evangelischer Diakonie wirkt, Wirklichkeit werden. Die Einrichtung soll bestehendes humanitäres Engagement der Muslime etwa bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen vernetzen. Generelles Ziel sei eine "starke und transparente" Religionsvertretung, die durch ihre Arbeit zeige, dass die Muslime in Österreich in der Mitte der Gesellschaft stehen, sagte der IGGiÖ-Präsident.

Bildungsarbeit

Ein Hauptaugenmerk legt Olgun auf den Bildungsbereich. So soll beim islamischen Religionsunterricht, den nach IGGiÖ-Angaben im vergangenen Schuljahr österreichweit mehr als 71.000 Schüler besucht haben, eine Qualitätssteigerung erfolgen. Dazu zählen etwa weitere Verbesserungen bei den Deutschkenntnissen. Schon jetzt hätten aber 90 Prozent der Islamischen Religionslehrer das fast muttersprachliche C1-Niveau erreicht, betonte Olgun. Generell wolle die IGGiÖ bei der Bestellung von Religionslehrern künftig aber noch genauer hinschauen und sensibler vorgehen, kündigte der 29-Jährige an.

Mit dem neuen Studienjahr werden islamische Religionslehrer in einer Kooperation der IRPA und der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems ausgebildet. Für Olgun ist dies ein "Vorbildprojekt für ganz Europa". Mit der Universität Wien gebe es zudem eine "sehr konstruktive" Zusammenarbeit bei der Vorbereitung des neuen islamischen theologischen Grundlagenstudiums an der Universität Wien, das im kommenden Jahr starten soll.

Weiteres Ziel ist der Ausbau der derzeit ehrenamtlich getragenen muslimischen Krankenhaus- und Gefangenenseelsorge. Hier setzt IGGiÖ-Präsident Olgun auf Basis des Islamgesetzes auf finanzielle Unterstützung vom Staat, um eine Professionalisierung herbeizuführen. Konkret geht es um die Finanzierung von drei bis vier hauptamtlichen Seelsorgestellen in Krankenhäusern und weiteren vier bis fünf in Gefängnissen. Die Glaubensgemeinschaft will außerdem eine Einrichtung zur Resozialisierung von entlassenen Muslimen aufbauen.

Die Frage nach den Geldmitteln

Allein durch Mitgliedsbeiträge und Spenden könne dies nicht finanziert werden, sagte Olgun. Aus finanzieller Sicht seien der Islamischen Glaubensgemeinschaft derzeit überhaupt die Hände gebunden, berichtete er. Ein Mitgrund dafür ist laut IGGÖ das mit dem neuen Islamgesetz etablierte Verbot der Auslandsfinanzierung. Dieses habe die Glaubensgemeinschaft, auch was die Finanzierung von Imamen angeht, zwar umgesetzt. Man betrachte es aber nach wie vor "kritisch" und halte die Regelung für "ungerecht".

Die bestehenden guten Beziehungen im interreligiösen Dialog will der neue IGGiÖ-Präsident fortführen. Nach und nach werde er die wichtigsten Vertreter aller in Österreich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften besuchen, kündigte Olgun an. Geplant seien etwa Begegnungen mit Kardinal Christoph Schönborn, aber auch mit Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde. Ziel sei dabei nicht nur ein "Dialog der Worte, sondern auch des gemeinsamen Handelns".

Zurückhaltend gab sich Olgun auf eine Journalistenfrage nach den jüngsten Turbulenzen um eine Predigt von Kardinal Christoph Schönborn ("Wir verspielen unser christliches Erbe"), die verkürzt wiedergegeben von manchen als Angriff auf den Islam gedeutet worden war. Man wolle die vom Kardinal mittlerweile relativierten Aussagen "nicht überbewerten", antworteten die IGGÖ-Vertreter. "Die Beziehung zwischen der Katholischen Kirche und der Islamischen Glaubensgemeinschaft ist sehr gut - diesen Dialog werden wir weiterhin suchen", sagte der ebenfalls bei dem Pressegespräch anwesende stellvertretende IGGiÖ-Generalsekretär Mouddar Khouja.

Einen offenen Islam vertreten

Innermuslimische Kritik an seiner Person wies Olgun bei dem Pressetermin erneut zurück. Gegner hatten ihm seine Mitgliedschaft im türkischen Verband Atib vorgeworfen. Er wolle ein Präsident für alle Muslime in Österreich sein, beteuerte Olgun. Die IGGiÖ sei offen für alle Muslime.
Gleichzeitig plädierte Olgun für eine Verstärkung des innermuslimischen Diskurses. Dieser solle auch "die bestehende Linie der Glaubensgemeinschaft fördern, weltoffen einen authentischen Islam in zeitgemäßer Auslegung zu leben". Die Muslime in Österreich lebten einen "gemäßigten Islam der Mitte", sagte Olgun.

Die IGGiÖ konstituierte sich 1979 als anerkannte Religionsgemeinschaft in Österreich aufgrund des "Islamgesetzes" von 1912 und ist die offizielle Vertretung der in Österreich lebenden Muslime. Die mehr als 600.000 Muslime bilden die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich.

Zur Person

Der 29-jährige Theologe Olgun ist Nachfolger von Fuat Sanac als IGGiÖ-Präsident. Der gebürtige Niederösterreicher gehört dem großen türkischen Verband Atib an. Olgun ist verheiratet und hat ein Kind. Olguns Vater war als Gastarbeiter nach Österreich eingewandert. 2007 schloss der neue IGGiÖ-Präsident die Schulzeit in Wien mit Matura ab. Anschließend absolvierte er den Präsenzdienst beim Bundesheer. Nach dem Abschluss theologischer Studien in der türkischen Hauptstadt Ankara war Olgun ab 2013 bei Atib in Wien Integrationsbeauftragter für den interreligiösen Dialog. Ab 2014 war der islamische Theologe dann als Fachinspektor für den Islamischen Religionsunterricht für verschiedene Wiener Bezirke und deren Pflichtschulen tätig.

kathpress / red.