Bischof Anba Damian: Machtübernahme durch Muslimbruderschaft wäre Betrug an allen Menschen, die sich für den Wandel einsetzten - Deutscher Pfarrer in Kairo: Koptisch-orthodoxe Kirche wird jetzt dafür kritisiert, dass sie sich kaum zur Freiheitsbewegung äußerte

Berlin-Vatikanstadt-Kairo (KAP) Das Militär, das in Ägypten zunächst die Macht übernommen hat, könnte ein Stabilisierungsfaktor sein. Das hat das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Bischof Anba Damian (Fahmi), gegenüber der deutschen Internetagentur "evangelisch.de" betont. Der Repräsentant der koptischen Christen in Deutschland warnte jedoch vor einer Machtübernahme durch die islamistische Muslimbruderschaft. Das wäre ein Betrug an allen Menschen, die sich für den Wandel eingesetzt hätten.

Der Rücktritt Hosni Mubaraks sei notwendig gewesen, sagte Damian. Jetzt gebe es die Hoffnung auf eine demokratische Regierung, die alle Gruppierungen beteilige. Für die Reform des ägyptischen Staates hätten sich Muslime und Christen gemeinsam eingesetzt, unterstrich Damian. Nach fast 30 Jahren an der Macht war Mubarak am Freitag zurückgetreten.

Die Armee hat nach Einschätzung des Bischofs große Sympathien im Land, sie müsse aber freie Wahlen und eine gewählte Regierung ermöglichen. Der Armee-Bonus komme vor allem von der Weigerung, mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. Damian äußerte die Hoffnung auf eine Gesellschaft, in der die Menschen unabhängig von ihrer Religion oder Konfession frei leben können.

 
Angst vor Muslimbruderschaft

Die Meinungen zur künftigen Religionsfreiheit sind geteilt. So erklärte etwa der Nordafrika-Experte der Bertelsmann-Stiftung, Hauke Hartmann, in einem Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau", die Muslimbruderschaft sei in erster Linie eine religiöse Organisation mit sozialen Zielen und habe der Gewalt längst abgeschworen. Die Vereinigung werde die politische Ebene dazu nutzen wollen, Korruption zu bekämpfen und Bildungsmöglichkeiten auszubauen.

Nach Ansicht des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, könnte die Gruppierung die Nahost-Friedensgespräche gefährden: "Wenn ich Stimmen der Muslimbruderschaft höre, dann habe ich die Sorge, dass das passiert, was im Iran passiert ist, dass ein Diktator gewichen und eine erheblich problematischere Diktatur gefolgt ist."

Der koptische Menschenrechtler Naguib Gobraiel erklärte im Gespräch mit dem "Tagesspiegel": "Wir Christen haben Angst vor den Brüdern. Sie haben eine lange Geschichte. Und sie treiben in unseren Augen Spielchen. Ihr eigentliches Ziel ist es, an die Macht zu kommen. Sie geben sich zunächst ganz harmlos, dann aber werden sie sich auf die Macht stürzen wie die Wölfe."

Die Kopten hatten in den vergangenen Jahren immer wieder über Diskriminierung in Ägypten geklagt. In der Silvesternacht wurden bei einem Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria mehr als 20 Menschen getötet und mehrere Dutzend verletzt. In dem arabischen Land sind nach Schätzungen etwa zehn Prozent der rund 80 Millionen Einwohner Kopten.

Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus existiert die koptisch-orthodoxe Kirche als eigenständige Kirche, sie ist somit eine der ältesten christlichen Kirchen weltweit. Stammland der Kopten ist Ägypten. In Österreich leben etwa 6.000 Kopten.

 
"Ägypter sind keine Fundamentalisten"

Der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Kairo, Msgr. Joachim Schroedel, sagte am Wochenende im Gespräch mit "Radio Vatikan", das Militär verhalte sich korrekt und werde als "Freund des Volkes" wahrgenommen. Die koptisch-orthodoxe Kirche werde nun zum Teil dafür kritisiert, dass sie sich kaum zu der Freiheitsbewegung geäußert habe. Sie habe sich vielmehr "wie eine Staatskirche verhalten, im guten Glauben, dass sie so besser in ihrer Religionsausübung geschützt werde". Das sei auf dem Hintergrund ihres Minderheitenstatus in einer zu 90 Prozent muslimischen Gesellschaft verständlich und gerechtfertigt.

Dennoch sei es nicht wahr, dass Christen in dieser Revolution abseits gestanden hätten. Auch viele Geistliche hätten auf dem Tharirplatz für das gemeinsame Anliegen demonstriert, so Schroedel.

Zu den Muslimbrüdern sagte der Pfarrer, dass sie sich "derzeit noch als eine gemäßigte und berechenbare Größe" darstellten. In der Bevölkerung genieße die Vereinigung hohes Ansehen, weil sie als einzige Organisation zu Mubaraks Zeiten karitativ tätig gewesen sei.

Bei freien Wahlen würden die Brüder "hohe Anteile erringen", so Schroedel. Allerdings würde die radikale Spielart der Muslimbruderschaft in einem freien Staat obsolet werden, denn "Ägypter sind keine Fundamentalisten".

(Quelle: kathpress.at, Bild: kairoinfo4u / flickr.com)