Über Monate hinweg wurde diskutiert und kritisiert - nun ist der Beschluss des neuen Islamgesetzes nicht mehr weit. In genau einer Woche passiert das Gesetz nämlich den Nationalrat. Während der Schurarat der IGGIÖ das Gesetz als "Ausdruck eines Kompromisses" sieht, "welcher den Bedürfnissen beider Seiten wohl am nächsten kommt" fühlt sich das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ) von der Regierung und der eigenen Vertretung „betrogen“. Und droht mit einer Verfassungsklage.

Erst letzte Woche konnte  man noch die Schlagzeile "Trotz Bedenken: IGGiÖ stimmt neuem Islamgesetz zu" lesen, nun tönt schon wieder Kritik aus den eigenen Reihen. Der Schurarat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) hatte infolge geringfügiger Änderungen der Regierung am Gesetzesentwurf getagt und dabei "die Feststellung getroffen, dass die Gesetzesvorlage zwar in zentralen Punkten nicht den Bedürfnissen und Erwartungen der in Österreich lebenden Muslime hinreichend Rechnung trägt". Dies betreffe die Forderung nach einem eigenen Gesetz für die IGGIÖ, die "mangelnde Gleichstellung im Vergleich mit anderen gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften" und das Verbot der Auslandsfinanzierung. Gleichzeitig sieht die IGGiÖ ein, dass "die derzeitige Gesetzesvorlage Ausdruck eines Kompromisses ist, welcher den Bedürfnissen beider Seiten wohl am nächsten kommt."

Islam europäischer Prägung?
Auch Außenminister Sebastian Kurz  zeigte sich mit dem geplanten Gesetz zufrieden. Er wünsche sich einen Islam europäischer Prägung und sehe das Islamgesetz in mehrerer Hinsicht als mögliches Vorbild für Europa. Nach langer Diskussion um zentrale Punkte der Gesetzesnovelle wie die Auslandsfinanzierung von Moscheevereinen schien die Vertretung der Muslime einverstanden und das Gesetz beschlossene Sache. Wenige Tage später tauchte allerdings eine zweite Version der Stellungnahme auf, aus der eine Ablehnung des Islamgesetzes hervorgeht.

Status quo wird zur Kenntnis genommen
„Wenn der Verstand jetzt sagt, dass von einer denkbar verfahrenen Ausgangslage im Herbst weg doch noch in einem beständigen Dialog Kompromisse erreicht werden konnten, ist dies kein Einverständnis mit dem Gesetz. Der status quo wird zur Kenntnis genommen“, heißt es dort. Weiters ist in dem Text, der von Mitgliedern des Schurarat selbst an die Öffentlichkeit gebracht wurde, von einem drohenden „Bruch der österreichischen Tradition im Umgang mit Religionsgesellschaften“ die Rede.

Betrogen?
Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft, ein loser Verband von Muslimen unterschiedlicher islamischer Konfessionen und Denkschulen, fühlt sich von der Regierung und der eigenen Vertretung „betrogen“. Das NMZ will seinen Protest gegen das Gesetz erneuern und lud unter dem Leitspruch „Nicht mit uns“, zu einer Pressekonferenz und zu einer abendlichen Kundgebung vor dem Parlament. Die Mitglieder des NMZ sind teils in muslimischen Verbänden organisiert, aber auch Einzelpersonen wie Lehrer und Studenten, die sich in den politischen Diskurs einbringen wollen. Aus der Ablehnung des neuen Islamgesetzes heraus, entstand das Bündnis im Oktober des vergangenen Jahres.

Ist das alles nur Wahlkampf?
„Seit Beginn der Verhandlungen herrschen mangelnde Transparenz, fehlende Partizipationsmöglichkeiten, sowie kaum Kommunikation“, so das NMZ in einer Aussendung. Man werde nicht akzeptieren, dass „trotz Verfassungswidrigkeit und mangelnder Konformität mit internationalem Recht“, das Gesetz am kommenden Mittwoch im Parlament verabschiedet werden soll. Die Muslime orten einen auf ihrem Rücken ausgetragenen Wahlkampf. „Unser Widerstand gegen islamfeindliche Politik und Hetze ist noch lange nicht zu Ende“, so Ibrahim Yavuz vom NMZ. Die Regierung und der Nationalrat könnten davon ausgehen, „dass wir eine Zwangskirche niemals akzeptieren werden“.

Forderungen
Und nun? Das NMZ fordert  eine „sofortige Reformierung der Strukturen der IGGiÖ“, sowie eine Trennung von Staat und Religion. "Sollte das Gesetz im Nationalrat verabschiedet werden, ist das Netzwerk Muslimische Gesellschaft nicht nur gewillt, vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu gehen, sondern das Anliegen auch im Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzubringen“, lässt das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft verlauten. Außenminister Kurz reagiert indes gelassen: man werde an den Eckpfeilern des Gesetzes festhalten.  (red/religion.orf.at)