Die Kirche in Deutschland zeigt sich besorgt über den Rechtsruck, der nach den Länderwahlen zum Vorschein kommt. Die Verantwortlichen üben Kritik.

Die katholische Kirche in Deutschland ist besorgt über die Wahlergebnisse vom Sonntag in drei Bundesländern, die große Zugewinne für die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) erbrachte. Sie vermeidet allerdings eine pauschale Verurteiltung der AfD, unter deren Wählern auch viele katholische und evangelische Christen sind. Bischofskonferenz-Vorsitzender Kardinal Reinhard Marx hatte noch am Sonntag dazu aufgerufen, nicht für fremdenfeindliche Kandidaten und Programme zu stimmen. "Ein Christ darf seine Stimme niemandem geben, der Hass verbreitet oder Rassismus predigt, der ausgrenzt und ein Freund-Feind-Schema propagiert", sagte er im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der politische Streit sei "enthemmter geworden", beklagte der Kardinal.

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige hatte bereits vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt ein verbreitetes Misstrauen gegenüber der Demokratie festgestellt und Besorgnis geäußert. Gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA sagte er am Montag, viele erwarteten von einer Demokratie offenbar "ein Rund-um-Versorgungssystem, das man, wenn nicht alle Wünsche oder Forderungen erfüllt werden, abstraft".

Feige wörtlich: "Wie lässt sich die Wählerwanderung so vieler von anderen Parteien zur AfD erklären, besonders die von der Linken? Das erweckt nicht den Eindruck tiefgründiger Überzeugungen. Waren sich die etablierten Parteien lange Zeit vielleicht auch zu sicher?" Bischof Feige forderte jetzt eine "Regierungskoalition der Vernunft". Diese müsse sich der "Würde des Menschen und dem Gemeinwohl verpflichtet" wissen. Probleme lösen könne man nur "mit Herz und Verstand, nicht aber mit Wut und Hass". In Sachsen-Anhalt kam die CDU als Regierungspartei auf 29,8 Prozent, Koalitionspartner, die zweitstärkste Partei wurde die AfD mit 24,4 Prozent.


AfD "aufmerksam beobachten"


Der Ausgang der Wahl werfe "manche Fragen" auf, so Bischof Feige. Es gelte, "aufmerksam zu beobachten", ob sich die AfD genügend von rechtsradikalen Tendenzen distanzieren und auch "Empathie für Flüchtlinge und Asylsuchende" zeigen werde, oder "ob ihre Abneigung gegenüber anderen Religionen und Kulturen noch schärfere Formen annehmen" werde. Letzteres sei entschieden zurückzuweisen, unterstrich Feige. Schließlich gehe es in der Flüchtlingsfrage um "wesentliche Kriterien für Anstand und Menschlichkeit".

Die Magdeburger evangelische Bischöfin Ilse Junkermann sagte, der hohe Zuspruch für die AfD signalisiere, dass viele Menschen angesichts der aktuellen Herausforderungen verunsichert seien. Auf diese komplexen Fragen gebe es jedoch keine einfachen Antworten. Die AfD werde deshalb ihre Politik- und Demokratiefähigkeit in der parlamentarischen Arbeit und nicht nur auf der Straße unter Beweis stellen müssen.


Bamberger Bischof erwähnt Verbotsverfahren


Kurz vor den Wahlen hatte der Bamberger Erzbischof Schick für Wirbel gesorgt, indem er ein Verbotsverfahren gegen die AfD in die Diskussion brachte. Er sagte in einem Interview, bei der NPD werde jetzt geprüft, ob sie in unserer Demokratie Platz habe. Das werde man bei der AfD vielleicht auch einmal tun müssen. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, verteidigte unterdessen den Beschluss des Katholikentags, keine AfD-Vertreter zu Podiumsdiskussionen einzuladen. Schick sagte, gegenüber der Partei müsse deutlich gemacht werden, "was unsere demokratischen und christlichen Positionen sind, was geht und was nicht." Der Erzbischof berichtete zugleich von Todesdrohungen rechter Gruppierungen gegen ihn.

Indirekte Kritik an seinem Amtsbruder Schick und an Sternberg äußerte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr. Er warnte vor einer Klassifizierung in "christlich" und "unchristlich" in der Flüchtlingsdebatte. "Wenn über die Geflüchteten mit Mitgefühl geredet wird, dann muss diskutiert werden, wie wir diese Situation bewältigen können, und da ist das Prädikat christlich/unchristlich falsch", sagte Neymeyr im Interview der Deutschen Welle am Sonntag in Berlin.

Es müsse einen politischen Diskurs geben, angefangen von den Ursachen der Flucht bis hin zur Frage, wie Menschen, gerade auch die vielen Muslime in Deutschland, integriert werden können. Wenn so viele Menschen unkontrolliert ins Land kämen, "ist das ein Riesenproblem, das ich immer so gesehen habe", sagte der Bischof. "Und es arbeiten ja jetzt auch alle fieberhaft daran, wieder Ordnung in das System zu bringen."

Neymeyr wandte sich gegen die Entscheidung des ZdK, AfD-Vertreter nicht zum 100. Katholikentag nach Leipzig einzuladen. "Es ist eine Wirklichkeit in unserer Gesellschaft, dass die rechten Parteien einen Aufschwung erleben, und es ist auch wichtig, mit ihnen zu diskutieren - sofern das vom Stil her möglich ist", betonte der Bischof. Er selbst habe sich mit AfD-Abgeordneten in Erfurt getroffen.

Nach Einschätzung der Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP) verläuft zwischen dem Christentum und der AfD "ein unüberbrückbarer Graben". "Die Infragestellung elementarer Freiheitsrechte ist eine Bedrohung unserer Gesellschaft", erklärte der Journalistenverband bei seiner Jahrestagung am Samstag in Trier. Die Partei vertrete "menschenverachtende, demokratiefeindliche Positionen" und versuche, Medienvertreter an einer freien, kritischen Berichterstattung zu hindern, heißt es in der Erklärung.


Auch Judenvertreterin Knobloch warnt


Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, bewertete die Wahlergebnisse als massiven Rechtsruck. Die Ergebnisse gäben Anlass zu großer Sorge, erklärte sie am Sonntag in München. "Wenn Wähler in so enormem Ausmaß dem Ruf von Rechtspopulisten und -extremisten folgen, liegt ein Versagen der demokratischen Parteien vor. Heute nisten sich in drei weiteren Landesparlamenten radikal rechte Kräfte in erheblicher Fraktionsstärke ein." Es gebe in der AfD einen "Restbestand seriöser Vertreter", der sich aber nicht konsequent vom neuen AfD-Profil distanziere, das "nationalistisch, völkisch-rassistisch, auch antisemitisch und system-umwälzend, kurzum: brandgefährlich ist".

Kathpress