Soll das Verbot der aktiven Sterbehilfe in der österreichischen Verfassung verankert werden? Diese und ähnliche Fragen rund um das Lebensende sorgen seit Monaten für hitzige Debatten. Ein Thema, das nun auch im Rahmen der Enquete "Leben bis zuletzt" vom Dachverband Hospiz Österreich und der österreichischen Palliativgesellschaft aufgegriffen wurde. Und auch hier für Gesprächsstoff sorgte.

2025 soll es so weit sein: Der stärkste Jahrgang der Generation "Babyboom" setzt sich zur Ruhe -  in Zahlen ausgedrückt: 665.000 Menschen. Fast acht Prozent der Bevölkerung werden dann zwischen 60 und 65 Jahre alt sein, so die Prognose. Aktuell befinden sich 464.000 Österreicher in dieser Altersgruppe. 1950 waren es gar nur 350.000 Menschen. Insbesondere deshalb wäre eine Liberalisierung der Gesetzeslage zur Sterbehilfe "der falscheste Zeitpunkt", so Herbert Watzke, Professor für Palliativmedizin an der Medizin-Uni Wien und Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft. Die zahlenmäßig so starke Generation werde der Gesellschaft "massiv zur Last fallen".

Keine Lockerung
Angesichts dieser demographischen Herausforderung und der Tatsache, dass es bisher in der Geschichte keine Erfahrungen mit einem derart hohen Anteil an alten Menschen an der Gesamtbevölkerung gebe, sollten ethische Standards jetzt keineswegs gelockert werden, zumal der Ausbau der Hospiz- und Palliativersorgung in Österreich längst nicht abgeschlossen sei.

Sterben in Würde
Gemeinsam mit Waltraud Klasnic und Karl Bitschnau, Präsidentin bzw. Vizepräsident des Dachverbandes Hospiz Österreich diskutierte Herbert Watzke im Rahmen der Enquete "Leben bis zuletzt" über Lebenswillen und Todeswunsch, Selbstbestimmung und Fürsorge. Beide Organisationen - Palliativgesellschaft und Hospizverband-  treten dabei für größtmögliche Lebensqualität bis zuletzt und ein Sterben in Würde ein, "ohne fremdbestimmte künstliche Verlängerung und ohne künstliche Verkürzung".

Wenn ich Krebs habe, bringe ich mich um
Die in Österreich im Vergleich mit den Niederlanden, Belgien oder der Schweiz strenge Gesetzgebung mit Verboten für assistierten Selbstmord und Tötung auf Verlangen sollen laut Watzke unbedingt beibehalten werden. Wer auf seine Autonomie poche, selbst den Zeitpunkt seines Todes bestimmen zu können, negiere die Erfahrungen, die in der Sterbebegleitung Tätige immer wieder mit Menschen im Angesicht des Todes machen: Ankündigungen wie "Wenn ich Krebs habe, bringe ich mich um" werden laut Watzke nur in den allerseltensten Fällen auch tatsächlich umgesetzt; die meisten Betroffenen würden sich für lebensverlängernde Interventionen entscheiden, weil es offenbar eine "natürliche Hemmung" gebe, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen.

Legalisierung - gefährlich
Diese Autonomie an andere auszulagern bzw. diese Möglichkeit zu legalisieren sei ein gefährlicher Weg, warnte der Palliativmediziner. Watzke sprach sich dagegen aus, Gesetze für eine kleine Minderheit zu machen, sondern die große Mehrheit dabei im Blick zu haben. Nicht übersehen werden darf laut Watzke zudem, dass es auch in Österreich legale Möglichkeiten gibt, lebensverlängernde Mittel zu verweigern und dem natürlichen Sterben seinen Lauf zu lassen.

Ja oder nein?
Waltraud Klasnic berichtete, keine Frage werde ihr als Hospizverbandspräsidentin derzeit so oft gestellt wie jene, ob das Verbot aktiver Sterbehilfe in der Verfassung verankert werden solle (wie u.a. von der Kirche gefordert). Ihre Haltung: Die Verankerung sei eine "politische Entscheidung, die die Arbeit der Hospiz- und Palliativbewegung stärken kann". Die Aufgabe dieser Bewegung sei freilich in erster Linie praktischer Natur, nämlich "für den Alltag zu sorgen".

Wie will ich meine letzte Lebensphase gestalten?
Alle Menschen, so unterschiedlich sie auch sind, seien vereint durch das Wissen, dass sie sterben müssen, wies Klasnic hin. Und unabhängig vom Alter sollten alle die Möglichkeit haben, in Schmerz und Einsamkeit begleitet zu werden und zugleich frei entscheiden zu können, wie ihre letzte Lebensphase gestaltet sein soll.  Karl Bitschnau nahm in seinem Statement Bezug auf das "Pendeln zwischen Lebenswillen und Todeswunsch" und "das immer neue Ausbalancieren von Selbstbestimmung und Fürsorge", die die Sterbephase für viele Betroffene und Betreuende kennzeichne. In Zeiten des Angewiesenseins sollten Menschen auf ein Netzwerk spezialisierter Hospizeinrichtungen zurückgreifen können. Als Problem bei der Realisierung eines solchen Netzwerkes benannte der Verbands-Vizepräsident die in Österreich getrennten Ressorts für Gesundheit und Soziales, wodurch Zuständigkeiten gerne "hin- und hergeschoben" würden. (red/kathpress)