Am 26. Oktober beginnen im Vatikan die theologischen Gespräche mit den "Pius-Brüdern" - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko

Vatikanstadt, 20.10.2009 (KAP) Am 26. Oktober beginnt im Vatikan das theologische Gespräch mit den lefebvrianischen "Pius-Brüdern". Neun Monate nach der vielfach missverstandenen Versöhnungsgeste des Papstes wollen der Heilige Stuhl und die umstrittene "Priesterbruderschaft St. Pius X." in eine theologische Debatte einsteigen und nach einer Lösung des Konflikts suchen. Ziel der als "lang und schwierig" bewerteten Verhandlungen ist eine Überwindung des Schismas, das 1988 durch die unerlaubten Bischofsweihen des französisch-senegalesischen Erzbischofs Marcel Lefebvre ausgelöst wurde.

Die "Pius-Bruderschaft" und die neustrukturierte vatikanische Kommission "Ecclesia Dei" haben je drei Theologen für die Gespräche nominiert. Die Delegation der Lefebvrianer wird von dem spanischen Bischof Alfonso de Gallareta geleitet, der als der umgänglichste der "Pius-Bruderschaft" gilt. Von vatikanischer Seite nehmen der Sekretär der Internationalen Theologenkommission, Charles Morerod, Opus-Dei-Generalvikar Fernando Ocariz Brana und der deutsche Jesuiten-Professor Karl Josef Becker teil.

Die Gespräche sollen streng vertraulich bleiben. Selbst der erste Termin in den Räumen der Glaubenskongregation war zunächst geheim. Nach den vielen Emotionen, Missverständnissen und Indiskretionen der vergangenen Monate sind beide Seiten an Ruhe interessiert. Nachdem der Vatikan die Exkommunikation der vier von Lefebvre geweihten Bischöfe zurückgenommen hatte, waren die Wellen zeitweilig sehr hoch geschlagen. Die Geste Benedikt XVI. löste einen Eklat aus, als bekannt wurde, dass sich der britische lefebvrianische Bischof Richard Williamson seit Jahren auf seinen Websites den verqueren Unsinn neonazistischer Holocaust-Leugner zu eigen gemacht hatte. Mehrfach und auf vielen Ebenen mussten der Vatikan und der Papst selbst Klarstellungen nachreichen.

Mehrere Monate dauerte es, bis der Vatikan intern das Gestrüpp von Pannen und Kompetenzgerangel entwirrt hatte. Im Juli legte der Papst neue Strukturen und eine neue Strategie vor. Die zuvor eigenständige Kommission "Ecclesia Dei"» unter ihrem nicht immer glücklich agierenden Kardinal-Präsidenten Dario Castrillon Hoyos wurde neu besetzt und direkt an die Glaubenskongregation angegliedert. Denn im Streit mit den Lefebvrianern geht es in erster Linie um Glaubensfragen, um unterschiedliche Auffassungen zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Lehramt, Papsttum und kirchlicher Tradition. Besonders geht es um die Aussagen zu Religionsfreiheit, Ökumene und interreligiösem Dialog.

Es dürften schwierige und lange Gespräche werden, ist man im Vatikan überzeugt. Die "Pius-Brüder" sprechen etwa von einem unterschiedlichen Verbindlichkeitsgrad der Konzilsdokumente: Dekrete könnten nicht die Bedeutung von Konstitutionen beanspruchen. Der Vatikan wendet sich gegen solche formale Sichtweisen. Auch Dekrete des Konzils, etwa zur Ökumene oder zur Religionsfreiheit, enthielten dogmatische Lehraussagen. Diese Fragen zu klären, wird Aufgabe der Experten sein. Erst dann will man sich Strukturfragen zuwenden - etwa nach der Stellung, die die "Pius-Brüder" nach einer Einigung in der katholischen Kirche erhalten könnten. Ob am Ende eine Art Einheit steht oder der Bruch vertieft wird, ist noch völlig offen.