Am 1. September 1939 begann der deutsche Angriff auf Polen. Anlass dafür war ein fingierter Überfall auf den Rundfunksender in Gleiwitz. 75 Jahre später versammelten sich deutsche und polnische Bischöfe am selben Ort, um die Versöhnung zwischen den beiden Ländern vor Augen zu führen. Denn diese scheint geglückt. Angesichts der Greueltaten im Zweiten Weltkrieg beinah ein Wunder.

Die Bischöfe Deutschlands und Polens haben in Gliwice (Gleiwitz) an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren gedacht. Kirchen und Religionen müssten aus den Erfahrungen lernen und dürften sich nicht instrumentalisieren lassen, mahnte Kardinal Reinhard Marx, in einem Gottesdienst am Sonntagabend im Gleiwitzer Dom. "Die aktuellen Erfahrungen von Krieg, Terror, Gewalt im Irak, Syrien und auch in der Ukraine fordern uns als Christen heraus, ein engagiertes Zeugnis zu geben für einen gerechten Frieden und die Achtung der Würde des Menschen", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Ein von deutschen SS-Truppen fingierter Überfall auf den Rundfunksender in Gleiwitz am 31. August 1939 war einer von mehreren Episoden, die Adolf Hitler als Vorwand für den von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg gedient hatten. Der Krieg begann am Tag nach dem in Polen als "Gleiwitzer Provokation" bezeichneten Ereignis, am 1. September 1939, mit dem deutschen Angriff auf Polen.

Der Zweite Weltkrieg sei weit über alle Vorstellung, was ein Krieg sei, hinausgegangen, betonte Marx in seiner vom Gleiwitzer Bischof Jan Kopiec auf Polnisch verlesenen Botschaft. "Es ging um Unterdrückung und Vernichtung, Vergewaltigung und Zerstörung. Dass dies von Deutschland ausging, erschüttert uns auch als Kirche in Deutschland bis heute", so der Münchner Erzbischof. Betroffen stehe die Kirche in Deutschland auch heute noch vor der Tatsache, dass "der Weltkrieg damals von der Kirche in unserem Land nicht als Unrecht geächtet wurde". Es sei ein "Wunder der Gnade Gottes", dass es nach den Schrecken des Krieges dennoch zur Versöhnung gekommen sei.

Die Kirchen dürften "niemals mehr Instrumente des Gegeneinanders der Völker sein, keine Werkzeuge der Exklusion, sondern Brückenbauer, Versöhner, Friedensstifter", mahnte Marx. Bei den Gedenkveranstaltungen nahmen auch der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Stanislaw Gadecki, Vertreter der evangelischen Kirche in Polen sowie jüdische Repräsentanten teil.

Deutsch-polnische Versöhnung

Eine greifbare Verbindung zwischen Polen und Deutschland bildeten die Fürbitten, die Texten von Johannes Paul II. wie auch von Benedikt XVI. entnommen waren. Viele Deutsche sind überzeugt, dass der polnische Papst Johannes Paul II. (1978-2005) bei der Überwindung des Eisernen Vorhangs in Europa eine wichtige Rolle gespielt hat. Umgekehrt sind viele polnische Katholiken dem deutschen Papst Benedikt XVI. dafür dankbar, seinen Vorgänger so rasch seliggesprochen zu haben.

Die Grundlage für den Neuanfang der Beziehungen zwischen Katholiken in Polen und Deutschland habe 1965 ein Brief der Polnischen Bischöfe im Jahre 1965 an die Deutsche Bischofskonferenz gelegt, betonte der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski in seinem Grußwort an die Gedenkveranstaltung.

Das Werk der deutsch-polnischen Versöhnung sei "aus der Architektur des europäischen Hauses nicht wegzudenken", betonte Marx. Er hob hervor, dass die Beziehungen der Deutschen und Polnischen Bischofskonferenz heute "besonders gut" seien, was sich auch durch die Schaffung einer eigenen Kontaktgruppe gezeigt habe. Neben den prominenten Persönlichkeiten bemühten sich jedoch auch zahlreiche Jugendliche, Mitglieder von Kirchengemeinden und Partnerschaftsinitiativen um den Dialog.

kathpress