Das Weltsozialforum tagt dieser Tage in Montreal. 1.200 selbstorganisierte Aktivitäten von tausend Organisationen werden vorgestellt - ein überaus kräftiges Zeichen von Menschen, die die Welt verändern.

Unter maßgeblicher Mitgestaltung durch kirchliche Organisationen wie Caritas, "Brot für die Welt" und CIDSE findet bis Sonntag in Montreal das 12. Weltsozialforum (WSF) statt. Eröffnet wurde das Forum am Dienstag mit einer großen Demonstration. Insgesamt werden 50.000 bis 80.0000 Aktivisten erwartet, die etwa 5.000 soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen aus über 110 Ländern weltweit repräsentieren. Erstmals hatte das WSF, als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos, 2001 in Porto Alegre stattgefunden.

"Alle Organisationen eint der Einsatz für eine bessere Welt, für wirtschaftliche und soziale Rechte für alle Menschen sowie für solidarische und ökologische Alternativen zum derzeitigen Wirtschaftssystem", heißt es bei Attac, einer der Gründungsorganisationen des Weltsozialforums. Die Veranstalter versuchten, die Kluft zwischen reichen und armen Ländern zu überwinden, "ein globales Gefühl der Solidarität zu schaffen und konkrete Maßnahmen gegen eine Politik und ein Finanzsystem zu ergreifen, die schädliche Wirkungen in Süd und Nord hat", sagte Carminda Mac Lorin, Mitglied des WSF-Organisationskollektivs, gegenüber dem Schweizer Nachrichtenportal "24 heures".

Sie betonte, die Mobilisierung sei auch in Industrieländern notwendig. Dazu gehöre die Schaffung eines Bewusstseins in den nördlichen Regierungen über die Auswirkungen ihres Handelns auf den Süden.

Einige Stimmen hatten die Wahl von Kanada als Austragungsort kritisiert. Sie befürchten, dass viele Teilnehmer des Südens aus Kostengründen oder wegen der rigiden Visapolitk nicht kommen könnten - Vorwürfe, auf die die Organisatoren mit der Erwiderung reagierten, dass man entsprechend interveniert habe. Eine Gruppe von mehreren hundert Freiwilligen sei eingerichtet worden, um bei den Visa-Anträgen zu helfen. Die Veranstalter ermutigten auch zur Fernteilnahme über das Internet.

Insgesamt werden in den sechs Tagen mehr als 1.200 selbstorganisierte Aktivitäten von tausend Organisationen vorgestellt. Darüber hinaus sind 20 große Konferenzen mit Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern geplant, darunter der in den Vorwahlen des US-Präsidentschaftswahlkampfs unterlegene Bernie Sanders, der bolivianische Vizepräsident Alvaro Garcia Linares oder die Anti-Globalisierungsaktivistin Naomi Klein.

Das WSF-Programm konzentriert sich auf 13 Hauptthemen. Diese sollten alle Anliegen der Zivilgesellschaft repräsentieren und stünden nicht in einer bestimmten Hierarchie zueinander, sagte Carminda Mac Lorin vom Organisationskomitee. Allerdings gebe es doch eine deutliche Konzentration auf Migrationsfragen, vor dem Hintergrund der Zerrissenheit Europas bei der Aufnahme von Flüchtlingen und den Ausfällen des republikanischen Kandidaten für das Weiße Haus, Donald Trump, der eine "Mauer" an der mexikanischen Grenze bauen wolle.

Doch auch Umwelt, wirtschaftliche Solidarität, Geschlecht/Gender, Jugend oder Kultur haben einen wichtigen Platz bei den Foren. Dazu kommen Mitbestimmungsmodelle und die Frage der indigenen Völker, die gerade in Kanada sehr sensibel ist.

Auch aus Zentraleuropa kommen kirchliche Hilfswerke nach Montreal, etwa "Brot für die Welt" und das katholische "Fastenopfer" in der Schweiz. Sie präsentieren sich auch beim parallelen "World Forum on Theology and Liberation", bei dem die internationale Allianz katholischer Entwicklungsorganisationen (CIDSE) Mitveranstalterin ist.

Francisco Mari vom evangelischen Entwicklungsdienst "Brot für die Welt" sagte gegenüber der Berliner Zeitung "ND", das Weltsozialforum solle kein Sozialromatikevent sein. "Das Forum als Ausgangsort revolutionärer Veränderungen zu träumen, wie viele Aktivisten und Aktivistinnen aus Südamerika und aus dem Süden Europas wieder hoffen, ist zwar angesichts der brasilianischen Situation verständlich, wird aber der bunten Realität der Foren nicht gerecht". Der Eindruck, dass der antikapitalistische Biss verloren gegangen sei, trüge aber, so der Mann aus dem Internationalen Rat des Weltsozialforums. "Die unterschiedlichen globalen Krisenerscheinungen als Zivilisationskrise zu verstehen, bedeutet aber unseres Erachtens eine Stärkung von Bewegungen, die auf grundsätzliche Veränderungen drängen."

Frei von Auseinandersetzungen sind die Weltsozialforen freilich nicht. Schon 2012 hatte es Differenzen gegeben. Ohne das Geld der damaligen brasilianischen Linksregierung und einer gewissen damit verbundenen Abhängigkeit wäre die Austragung gar nicht erst möglich gewesen. In Tunis 2013 und 2015 überlagerten dann regionale Streitigkeiten eine globale Denk- und Arbeitsweise. 

kathpress