Papst sorgt mit Äußerung über Kondom-Gebrauch für Überraschung - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko

Ein Zitat des Papstes zu Aids und Kondomen überschattete 2009 seine erste Afrikareise. Jetzt sorgt seine Erläuterung zu diesem Zitat ebenfalls für Furore. Denn Benedikt XVI. sieht "berechtigte Einzelfälle", in denen die Benutzung von Kondomen eben noch hinnehmbar sein könnte - etwa um das Risiko der Ansteckung durch einen HIV-infizierten Partner zu reduzieren.

Warum der Vatikan über den "Osservatore Romano" Teile des mit Spannung erwarteten Interview-Buchs des Papstes mit Peter Seewald zeitgleich mit dem Konsistorium der neuen Kardinäle verbreitete und sich damit selbst mediale Konkurrenz machte, ist offen. Auf jeden Fall enthält das Buch, das in dieser Woche im Vatikan vorgestellt werden soll, einigen Zündstoff, und die vorab veröffentlichen Passagen sorgten für zusätzliche Verwirrung

So schob Vatikansprecher Federico Lombardi am Sonntag eine Klarstellung nach: Die katholische Kirche ändere ihre Lehre nicht. Sie hält nicht Kondomgebrauch, sondern die eheliche Treue für das moralisch Gebotene, um die Ausbreitung von Aids einzudämmen. Der Papst bestätigt die bisherige Haltung der Kirche und fügt sie ein in die Perspektive von Wert und Würde der menschlichen Sexualität als Ausdruck von Liebe und Verantwortung.

Aber er sieht gleichzeitig auch Ausnahmesituationen, wenn durch eine mögliche Ansteckung ernsthafte Gefahr für das Leben eines anderen besteht. Auch in diesem Fall hält der Papst "ungeordneten Geschlechtsverkehr" nicht für legitim. Aber er meint, dass der Gebrauch eines Kondoms zur Verminderung der Gefahr einer Ansteckung "ein erstes Stück Verantwortung, ein erster Schritt zu einer menschlicheren Sexualität sein kann".

 
"Mutiger Beitrag des Papstes"

Die Äußerungen des Papstes seien im Prinzip nicht revolutionär, so Sprecher Lombardi. Etliche Moraltheologen hätten sich bereits in dem Sinn geäußert. Dies aber aus dem Mund des Papstes zu hören, sei ein mutiger Beitrag zur Klärung und Vertiefung der seit langem strittigen Frage, kommentiert der Sprecher. Neben dem Festhalten an moralischen Prinzipien leiste er einen Beitrag, um zu einem verantwortungsbewussteren Verständnis der Sexualität zu gelangen.

Ähnlich hatte sich bereits im vergangenen Pontifikat der langjährige vatikanische Gesundheitsminister, Kardinal Javier Lozano Barragan, geäußert. Um Eheleute vor Ansteckung zu schützen, wenn ein Partner HIV-infiziert sei - also als eine Art "Selbstverteidigung" - und um das hohe Gut der Ehe zu erhalten, sollte man das Kondom nicht total ausschließen, lautete seine Position. Die Glaubenskongregation wurde damals mit einer Überprüfung beauftragt, da es zu diesem besonderen Aspekt des Kondomgebrauchs bisher keine verbindliche Äußerung des Lehramtes gibt. Eine Antwort liegt bisher nicht vor, oder wurde zumindest noch nicht bekannt.

Ob die Papst-Äußerung, die als solche keinen Anspruch auf lehramtliche Verbindlichkeit hat, Rückschlüsse auf die Meinung der Glaubenskongregation zulässt, ist offen. Ein Dissens auf dieser Ebene wäre jedoch verwunderlich. Freilich gab es bis zuletzt Äußerungen mancher Kirchenleute, die bei Aids allein den Weg von Enthaltsamkeit und Keuschheit sehen.

Dennoch wird auch in Kirchenkreisen immer wieder auf die ABC-Theorie verwiesen - abstinenence, be faithful, condom - auf Deutsch: Enthaltsamkeit, Treue, Kondom, wobei das Kondom nur ein letzter Ausweg sei, wenn die beiden übrigen Punkte nicht greifen. Auch Benedikt XVI. verweist in seinem Buch, wie Lombardi bestätigt, ausdrücklich auf diese Theorie. Freilich nicht im Sinne einer Zustimmung, sondern als Hinweis darauf, dass auch nichtkirchliche Stellen begriffen haben, dass Kondom-Verteilung allein nicht der Weg ist, um die Aidsausbreitung zu verhindern.

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(Quelle: kathpress.at)