Der Militärputsch vom vergangenen Freitag in Istanbul ist für gescheitert erklärt worden. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan ein "gottgeschenkter" Anlass, das Land neu zu strukturieren und "aufzuräumen". Der Vatikan zeigt sich über diese Entwicklung allerdings besorgt.

Erschreckende Zahlen

Bislang forderte der Putschversuch mehr als 308 Todesopfer. Zusätzliche 1491 Personen sind verletzt worden und 7543 Personen inhaftiert, darunter 6038 Soldaten. Wie sammelt sich ein Land nach einer solchen Tat? Für Präsident Erdogan steht fest: mehr Kontrolle seiner selbst. Über 3000 Richter wurden bereits entlassen, sogar die Wiedereinführung der Todesstrafe steht für ihn im Raum. Dass sich einige Organisationen und Glaubensgemeinschaften mit solchen Gedanken nicht identifizieren können, ist klar. Warnungen seitens der Europäischen Union und der NATO sind gefallen. Martin Lessenthin, Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), meinte am Montag in Frankfurt, der ganze Aufruhr laufe auf einen "totalen Erdogan-Staat" hinaus, die Regierung "nutzt die Gunst der Stunde, um sich ihrer Gegner zu entledigen."

Vatikanbotschaft "Im Stillstand"

Die katholische Minderheitenkirche vor Ort in der Türkei gibt sich nach dem Putsch vorerst ruhig. Generalsekretär der Türkischen Bischofskonferenz, Anton Bulai, sprach am Samstag mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und informierte: "Es (der Putsch) ging nicht gegen Christen oder Religionen. Unter diesem Gesichtspunkt sind wir ruhig."

Der Heilige Stuhl allerdings sorgt sich um die weitere Entwicklung in der Türkei. Die Vatikanbotschaft in Ankara befinde sich "im Stillstand", erklärte ein anonymer Kirchendiplomat, auf Anfrage von "Kathpress" am Montag. Auf die Frage, ob es nach dem gescheiterten Militärputsch zu einer weiteren Islamisierung kommen werde, sagte der Vatikanmitarbeiter: "Wir hoffen es nicht." Im Unterschied zur Orthodoxie ist die katholische Kirche in der Türkei nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Vatikanischen Angaben zufolge leben in der Türkei rund 46.000 Katholiken unter 79 Millionen Einwohnern.

Religionsfreiheit bleibt unumstritten

Die türkische Botschaft am Heiligen Stuhl hält Sorgen über die Religionsfreiheit jedoch für unberechtigt, die Türkei sei ein demokratischer Staat. "Die grundlegenden Menschenrechte sind geschützt, wir haben nichts von Sorgen über religiöse Minderheiten gehört", so der Kanzler der türkischen Botschaft Celal Dogan. Hassverbrechen gegenüber Angehörigen nichtislamischer Gemeinschaften hätten sich bislang nicht ereignet. In der Türkei herrsche eine "Tradition von Friede und Harmonie" zwischen allen religiösen Gruppen.

Und doch bleibt die Situation in der Türkei ungewiss, genauso wie deren weiterer Verlauf. "Wir sind in Gottes Hand", heißt es aus der Vatikanbotschaft in Ankara.

(red./Kathpress)