Migration, Mobilität, Säkularisierung: Das sind drei Gründe für die sich verändernden Anteile von Christen, Muslimen und Konfessionslosen in Österreich, die Wiener Forscher ausgemacht haben. Sie werfen einen Blick in eine bunte Zukunft.

„Die Zukunft ist offen“ formulierte es der Zukunftsforscher Bernd Flessner einmal im Interview. Die Vorstellung, dass Prognosen über Kommendes immer eintreten müssen, um „gut“ und „richtig“ gewesen zu sein, ist in seinen Augen laienhaft. Es könne schließlich immer passieren, dass die Menschen ein skizziertes Zukunftsszenario so wenig wünschenswert finden, dass sie alle Hebel in Bewegung setzen, um es zu verhindern. Vielleicht haben die Wissenschaftler um Studienleiterin Anne Goujon vom Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) darum auch nicht nur eine Prognose erstellt, sondern gleich vier: Irgendeine Annahme wird schon stimmen – und sei es als bunter Mix.

Demographie und Religion in Österreich“ lautet der Titel einer Untersuchung, die sich mit der Entwicklung von Bevölkerungszahl, -zusammensetzung und Religionszugehörigkeit in Österreich in den kommenden 30 Jahren befasst. Ihre Ergebnisse liegen seit wenigen Tagen vor – und sie zeigen: Es bleibt alles anders.

Veränderliche Anteile

Seit der Volkszählung im Jahr 2001 haben sich die religiösen Zugehörigkeiten in Österreich gemäß der Forscher nämlich bereits stark verändert: Bekannten sich vor 15 Jahren noch drei Viertel aller Österreicherinnen und Österreicher zum römisch-katholischen Glauben, sank ihr Anteil seither auf unter zwei Drittel (64 Prozent). Den stärksten Zuwachs gab es in den vergangenen 15 Jahren bei der Bevölkerung ohne Religionszugehörigkeit: Waren es 2001 noch zwölf Prozent, galt die Konfessionslosigkeit im Jahr 2016 für 17 Prozent.

Einen starken Zuwachs verzeichnete auch der muslimische Bevölkerungsanteil: Er verdoppelte sich von vier auf acht Prozent. Das entspricht in absoluten Zahlen aktuell rund 700.000 Muslimen in ganz Österreich. Die Zahl der orthodoxen Christen stieg von zwei Prozent auf fünf Prozent (rund 400.000 Personen). Der Anteil an Evangelischen blieb in den letzten Jahren konstant bei fünf Prozent.

Migration, Mobilität, Säkularisierung

Und diese Trends, so vermuten die Forscher, setzen sich bis zum Jahr 2046 fort: Die Zahl der Katholiken sinkt voraussichtlich auf unter 50 Prozent, die Zahl der Konfessionslosen steigt auf fast vergleichbare Werte, und der Anteil der Muslime und Orthodoxen werde sich ebenfalls weiter erhöhen.

Gründe dafür sind vor allem Migrationsbewegungen und gesteigerte Mobilität, außerdem der erwartete Bevölkerungszuwachs in den einzelnen Bevölkerungsgruppen sowie Säkularisierungstendenzen. Je nachdem, ob es in den kommenden 30 Jahren zu mehr innereuropäischer Mobilität kommt, zu mehr Zuzug aus dem Nahen Osten, zu insgesamt weniger Zuwanderung oder zu deutlich mehr, fallen Einflüsse und damit die erwarteten Religionsanteile unterschiedlich aus; die generelle Entwicklung scheint jedoch klar.

Zwischen den Zeilen lesen

Österreichs Bischöfe freut das. Laut ihrem Sprecher Paul Wuthe sieht die Bischofskonferenz diese „Verbuntung“ als große Chance: „Die bewusste und freie Entscheidung für den Glauben wird immer wichtiger und ist daher sehr positiv“, so Wuthe. Der Wiener Pastoraltheologe und Religionssoziologe Paul Zulehner betrachtet die religiöse Diversifizierung als Rückkehr zum „biblischen Normalfall“. Überhaupt dürfe man nicht ausschließlich auf die Zahlen schielen – schließlich gebe es in der Praxis sowohl unter „eingetragenen“ Christen wie auch unter Konfessionslosen viele, die vielleicht zu den „pragmatischen Gottvergessern“ gehören, das christliche Wertefundament aber trotzdem teilen. Auch unter einem Großteil der in österreichischen Muslime macht Zulehner einen vergleichbaren Pragmatismus aus – und hat dabei sogar die Wissenschaft auf seiner Seite. Also alles halb so wild in dieser Zukunft...

Quelle: religion.orf.at (1 / 2), kathpress.at (1 / 2) / red

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