Der Schweizer Nobelpreisträger Werner Arber freut sich über seine Ernennung zum Präsidenten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften durch den Papst. 1978 hat er den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten. Im Gespräch mit Radio Vatikan erklärte der Molekularbiologe am Montag dieser Woche, wie seine wissenschaftliche Karriere angefangen hat: mit einer Studie zu Enzymen.

Arber WernerWerner Arber: "Im Laufe von zehn Jahren war es dann möglich, in verschiedenen Laboratorien Enzyme zu isolieren und zu zeigen, dass das auch im Reagenzglas die DNA schneidet und wieder schneidet. Ab 1978 wurden diese Enzyme dann weitgehend eingesetzt zum Studium der Erbinformationen: Das hat dann zur Sequenzanalyse geführt usw. Also, alle diese molekulargenetischen Studien basieren auf der Verwendung von Restriktionsenzymen. Das hat 1978 zum Nobelpreis geführt."

Radio Vatikan: Sie sind jetzt Vorsitzender eines Gremiums von achtzig Akademikern: Kam die Ernennung für Sie überraschend, oder gar nicht überraschend?
"Schon überraschend, allerdings muss ich sagen, dass ich ja schon längere Zeit Mitglied des Rates der Akademie war und nach dem Ableben des letzten Präsidenten gebeten wurde, ihn bei der letzten Plenarsitzung vom November zu ersetzen. Ich war ja dort auch schon Vizepräsident. Aber es kam überraschend für mich, weil ich ja nicht Mitglied der römisch-katholischen Kirche bin. Ich bin Christ, aber protestantischer Christ."

Was genau sind die Aufgaben des Präsidenten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften?
"So wie ich sie verstehe, ist die wichtigste Aufgabe, die Geschäfte zu leiten, Hand in Hand mit dem Kanzler, der ja permanent dort am Sitz der Akademie arbeitet. Und das heißt: Planen von Tagungen. Man muss das so machen, dass das Tagungen sind, die die breite Bedeutung der Naturwissenschaften abdecken und die eben idealerweise auch für das allgemeine Weltverständnis Bedeutung haben – also auch von der Kirche interessiert verfolgt werden können. Und dann wird der Kirche gegenüber berichtet, wie die neuesten Ergebnisse sind.
Die großen Themenkreise sind natürlich alles, was mit Kosmologie zu tun hat, dann Physik, Chemie, Struktur der Materie, die ja dahintersteckt, auf der einen Seite; und der zweite große Komplex ist das, was mit dem Leben zu tun hat. Wie kommt es zum Leben, wie evoluiert Leben, wie funktioniert Leben?"

Sie haben es ja schon erwähnt: Sie sind nicht katholischer Christ. Das hat natürlich einige Nachrichtenagenturen bewegt, Meldungen zu schreiben, dass das quasi eine ökumenische Ernennung sei. Ist das so, oder ist das „nur“ fachlich begründet?
"Ich glaube, es ist fachlich begründet. Wir müssen sehen: Es hat mich schon immer beeindruckt, dass diese Akademie seit ihrer Gründung wirklich gut ausgewiesene Naturwissenschaftler aus allen Kontinenten als Mitglieder hat, unabhängig auch vom Glauben, den die Leute haben, und unabhängig auch vom Geschlecht. Also, wir haben auch einige Frauen als Mitglieder! Das ist eigentlich ziemlich fortschrittlich, würde ich sagen – aber das war schon von Anfang an so gedacht."

Aber nun ist Rom und der Vatikan so ziemlich das Katholischste, was man sehen kann auf der Welt. Ist das nicht auch eine Spannung für Sie persönlich als reformierter Protestant?
"Ich muss sagen, dass ich mit meinen Kontakten am Vatikan wirklich vollauf zufrieden bin. Ich habe viel leichter Zugang, über neue Kenntnisse – etwa über biologische Evolution – zu diskutieren als mit vielen protestantischen Kreisen. Also, ich denke da an die evangelikalen Strömungen in den USA zum Beispiel, die ja von Evolution nichts wissen wollen und die alles auf einmalige Schöpfung zurückführen.
Ich habe im Vatikan gelernt, dass man dort die Schöpfung als permanenten Prozess ansieht, und das ist eigentlich Evolution. Das finde ich viel spannender – und das Interessante daran ist, dass alle Lebewesen auch Genprodukte mit sich herumtragen, die eben in großen Populationen diese Evolutionen ermöglichen und trotzdem den einzelnen Lebewesen im allgemeinen – mit wenigen Ausnahmen – eine stabile Erbinformation garantieren. Das finde ich ein wunderbares System."

Und in dieser Akademie fühlen Sie sich also intellektuell und wissenschaftlich gut aufgehoben?
"Absolut, ja. Die Diskussionen sind wirklich immer von hohem Rang. Die achtzig Mitglieder der Akademie sind ja auf Lebenszeit ernannt; es kommen natürlich nie achtzig Leute zusammen, aber immerhin hin und wieder auch mehr als die Hälfte, in Plenarsessionen. Dann organisiert die Akademie auch Studienwochen und Tagungen über ausgewählte Themen, wo dann eine Mehrzahl von eingeladenen Personen, die nicht Mitglieder sind, mitmachen. Und da kommt dann oft die Front der Forschung hinein!"

 
Hintergrund: Päpstliche Akademie der Wissenschaften

Mit der Ernennung des evangelisch-reformierten Christen Arber steht erstmals der Akademie ein Präsident vor, der nicht der römisch-katholischen Kirche angehört. Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften wurde vor über 400 Jahren von Papst Clemens VIII. gegründet. Die Institution vereinigt 80 Akademiker, die vom Papst ernannt werden und unter den bekanntesten Wissenschaftlern der ganzen Welt ausgewählt werden. Unter den Mitgliedern befinden sich neben Professor Arber über 20 weitere Nobelpreisträger. Einem breiteren Publikum bekannte Mitglieder sind u.a der Physiker Stephen Hawking und der Philosoph Jürgen Mittelstrass. Die Auswahl der für die Akademie tätigen Wissenschaftler erfolgt ausschließlich aufgrund der wissenschaftlichen und ethischen Verdienste, unabhängig von Nation oder Religionszugehörigkeit.

Linktipp
_ Website der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften (englischsprachig)

(Quellen: Radio Vatikan, Bild: Wikipedia - Blick aus der "Päpstlichen Akademie der Wissenschaften"  in den Vorhof)