Beim "Mariazeller Dialog" standen heuer die Informationswissenschaften und ethische Herausforderungen im Mittelpunkt

Der richtige Umgang mit Computer-Hardware verlangt auch nach entsprechender "ethischer Software": Dieses Resümee zog der Grazer Sozialethiker Leopold Neuhold als inhaltlich Verantwortlicher im Blick auf den diesjährigen "Mariazeller Dialog", der heuer dem Thema Informationswissenschaften und Ethik gewidmet war. Im Hinblick auf derzeit vieldiskutierte Online-Netzwerke wie "Facebook" plädierten Fachleute - so Neuhold am Montag im Gespräch mit "Kathpress" - für eine "goldene Regel": Informationen von anderen seien "heilig", mit ihnen sollte man achtsam umgehen. Der Theologe erinnerte daran, dass das Internet "nie vergisst": Deshalb solle man sich immer die Frage stellen, welche Informationen man von sich überhaupt anderen preisgibt.

Trotz jüngster Fälle von "Internet-Mobbing" warnte Neuhold vor einem bloßen "Entrüstungsdialog" über Neue Medien. Es gelte die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten, die Chancen und Gefahren differenziert zu sehen und nicht vorschnell zu verurteilen.

"Ethische Entscheidungen müssen immer von Menschen getroffen werden", berichtete Neuhold von einem der Panels der Tagung mit dem Titel "Algorithmen statt Ethik". Die Informationen, die Menschen für eine richtige Entscheidung benötigten, kämen hingegen sehr wohl von Computern und Maschinen: Hier müsse also gut investiert werden, um entsprechende Entscheidungen treffen zu können, so Neuhold.

 
Digitale Technologien und Gesellschaft

Der deutsche Medienwissenschaftler Rafael Capurro stellte beim Expertentreffen die Frage, wie sich das Internet auf die Entwicklung der Demokratie auswirkt. Informations- und Kommunikationstechnologien hätten "tiefgreifende Auswirkungen auf Politik, was zu einer Transformation der Demokratie auf der Basis interaktiver Teilnahme am politischen Geschehen führt", so die These Capurros. Er wies auch auf die "digitale Trennung zwischen Arm und Reich" sowie auf Vor- und Nachteile digitalisierter Überwachung hin: Letztere solle Sicherheit garantieren und vor Gefahren schützen, könne aber gleichzeitig "die Autonomie, die Anonymität und das Vertrauen, welches die Basis demokratischer Gesellschaft ausmachen", bedrohen.

Capurro stellte weiters auch ökologische Aspekte in Zusammenhang mit Ethik in den Raum, wie z. B. die meist sorglose Entsorgung von alten Handys, deren Inhaltsstoffe teilweise Umwelt und Menschen gefährlich werden können.

Als weiteres Ergebnis des "Mariazeller Dialogs" nannte Neuhold Überlegungen, geistiges Eigentum im Internet rechtlich neu zu regeln. Wissen im Internet gehe immer stärker in Richtung "Allgemeingut", ein starres Festhalten z. B. an Urheberrechten würde einer "Sozialpflichtigkeit" nicht gerecht.

 
Streifzug durch Grazer Ethik-Initiative

Als Auftakt zum "Mariazeller Dialog" wurde das im Böhlau Verlag erschienene und von Neuhold und dem Geschäftsführer von "Joanneum Research", Bernhard Pelzl, herausgegebene Buch "Ethik in Forschung und Technik. Annäherungen" präsentiert. Es ist ein "Streifzug durch die bisherige Arbeit der Ethik-Initiative der Joennaum Research", wie es im Programmheft zur Veranstaltung hieß. Die Arbeitsgruppe "Ethik in Forschung und Technik" mit Neuhold als Moderator wurde 2007 gegründet und soll Wissenschaftern ihre individuelle Verantwortung bewusst machen.

 
Factbox

Der "Mariazeller Dialog" als Expertentreffen zu Fragen der Ethik fand am 27. und 28. Jänner im Tagungszentrum "Europeum" im obersteirischen Wallfahrtsort statt. Das Treffen wurde von der Arbeitsgruppe "Ethik in Forschung und Technik" der "Joanneum Research" in Kooperation mit der Katholisch-Theologischen Fakultät und der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz veranstaltet.

www.mariazellerdialog.at

(Quelle: kathpress.at)