Nicht nur in Österreich hat es geregnet. Auch in Afrika ist das so lebensnotwendige Nass in Form vieler kleiner Wassertropfen endlich vom Himmel gefallen. Zwar nicht flächendeckend, aber immerhin einigermaßen ausreichend. Für internationale Hilfsorganisationen Grund erstmals wieder vorsichtig aufzuatmen. Die Erleichterung währt aber nur kurz, denn mit dem Regen kommt ein weiteres Problem: der grüne Hunger.

Die gute Nachricht vorweg: die befürchtete große Katastrophe scheint in der Sahelzone auszubleiben. Mit dem Regen sprießt nicht nur Hirse und Mais, sondern auch die Hoffnung wieder. Rund 18 Millionen Menschen waren und sind vom Hunger bedroht. "Das bedeutet noch nicht den Tod, aber es ist ein Geschwür", hält Caritas-Präsident Franz Küberl fest. "Die Katastrophe konnte bisher abgewendet werden, doch das Drama, ob in den kommenden beiden Monaten genügend Regen fällt oder nicht, ist noch nicht entschieden."

Regen, aber keine Nahrung
Allein die Tatsache, dass Regen fällt, gibt Grund zur Hoffnung. Im Moment sehe es so aus, als ob die  Ernte, auf die alle warten, auch kommen wird, erklärt der Leiter des "Krisenstabs Westsahel" der Caritas, Georg Matuschkowitz."Die Saat geht auf, das ist wunderbar, aber die Menschen haben immer noch nichts zu essen, die Vorräte sind aufgebraucht", hält er das Problem fest. 

Der grüne Hunger
Die weitere Folge ist, dass die Bauern nun zwar neben ihren Feldern sitzen und den Pflanzen beim Wachsen zusehen können, selber aber nichts zu essen haben. Bis die nächste Ernte eingeholt werden kann, dauert es noch und die Menschen fangen aus Verzweiflung an, Saatgut oder unreife Maiskolben zu essen. In Fachkreisen wird dieses Phänomen "grüner Hunger" genannt. 

Phasen des Hungers
"Zuerst wird das Vieh verkauft, dann wird das Saatgut gegessen und am Schluss versuchen die Familienväter ihr Glück in der nächsten Stadt und lassen ihre Familie zurück. Das ist dann das Ende", erklärt Pater Temesgen die verschiedenen Phasen des Hungers. Diese können nur verhindert werden, wenn Grundlagen der Landwirtschaft wieder auf die Beine gestellt wurden.

Das Ziel ist schon zu sehen...
Fakt ist dennoch, dass die Getreidespeicher seit langem leer sind  und viele bereits begonnen haben, das Saatgut zu essen, weil sonst einfach nichts da ist. "Aber das Ziel ist schon zu sehen, das hilft, das bringt eine gewisse Entspannung", versucht Matuschkowitz zu beruhigen. Was aber kann man tun, damit sich Katastrophen wie diese nicht wiederholen? Die Caritas Österreich hat bisher rund eine Million Euro an Hilfsgeldern in mehr als 300 Sozialprojekte im Westsahel investiert. Ob Saatgutverteilungen, Essensausgaben, medizinische Behandlung von unterernährten Kindern, "Cash for Work" oder "Food for Work" - bisher konnten damit etwa 70.000 Betroffene erreicht werden. 

Kurzfristig vs. nachhaltig
Wichtig ist, dass nicht nur kurzfristig Hunger gelindert wird, sondern auch auf die Verbesserung von Nachhaltigkeit gesetzt wird: der Ausbau von Strukturen, die den von immer wiederkehrenden Dürren geplagten Bauern langfristig helfen sollen. "Die Hilfe kommt an und wird in beachtlicher Form umgesetzt", hält Küberl fest. Und es gibt noch einen weiteren Grund, warum die (Beinahe)katastrophe nicht eskaliert ist: "Die große Katastrophe konnte abgewendet werden, und zwar deshalb, weil rechtzeitig gewarnt wurde", erklärt Matuschkowitz. NGOs und UNO haben erstmals sehr früh - nämlich schon im März - damit begonnen, immer häufiger und immer eindrücklicher vor einer drohenden Hungerkrise in der Sahelzone zu warnen.

Keine rosige Zukunft
Die Zukunft sehen Hilfsorganisationen dennoch nicht sehr rosig. "Wenn es mit Klimawandel und den damit verbundenen Wanderbewegungen der Menschen so weitergeht, werden wir es bald jährlich mit diesen Problemen zu tun haben.", befürchtet Matuschkowitz. Es könne aber nicht die Lösung sein, jedes Jahr in letzter Sekunde die große Katastrophe zu verhindern. 

Kurbeln bis der Motor von selbst läuft
Die Lösung sieht der Experte im vernetzen und informieren. Es gäbe viele Menschen in diesen Ländern, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen, man müsse sie nur miteinander vernetzen. "Wir müssen die Diskussion vor Ort führen, wir müssen den Leuten sagen, was los ist, sie wollen ja informiert werden, wir müssen Wissen vermitteln und Prozesse in Gang setzen, denn: Hungerkrisen wird es im Sahel immer wieder geben", zeigt Matuschkowitz Wege und Lösungen auf. "Wir müssen kurbeln, bis der Motor von selbst läuft - und ich garantiere, das funktioniert", zeigt er sich zuversichtlich.

"Afrika ist kein Fass ohne Boden, sondern einfach ein riesiger Kontinent. Es wird noch viel Aufmerksamkeit, Interesse, Einsatz und Hilfe nötig sein. Die Welt ist eben noch nicht fertig. Aber es haben in Afrika Entwicklungen stattgefunden, die man vor zehn, fünfzehn Jahren noch nicht für möglich gehalten hat", pflichtet ihm Küberl bei. (red/derstandard/apa)