Viele Menschen besuchen zu Allerheiligen und Allerseelen die Gräber verstorbener Angehöriger. Dass die Steine, Einfassungen und Deckplatten, die die Gräber zieren oftmals aus indischen Steinbrüchen stammen, ist den Wenigsten bekannt. Dass es meist Kinder sind, die dort unter sklavenähnlichen Umständen für wenig Geld arbeiten müssen, ebenfalls. Einen "fairen" Stempel für Grabsteine gibt es nämlich noch nicht, macht Jugend Eine Welt auf die Problematik aufmerksam.

Wer aufmerksam die Medien verfolgte, dem ist das Thema nicht neu: Die Kinderarbeit bei Grabsteinen. Insbesondere in Deutschland kämpft man schon lange und immer wieder gegen Steine aus indischen und chinesischen Steinbrüchen, die von Kindern gehauen wurden. „Grabmale, die unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden, eignen sich ganz sicher nicht für ein würdiges Erinnern an liebe Verstorbene,“ stimmt Jugend Eine Welt Vorsitzender Reinhard Heiserer zu. „Mit einer verantwortlichen Kaufentscheidung kann man dazu beitragen, dass sich die Arbeitsverhältnisse in indischen Steinbrüchen endlich verbessern. Auch der Handel sollte seine Verantwortung verstärkt wahrnehmen und von Stein-Importeuren entsprechende Nachweise einfordern."

Katastrophale Arbeitsbedingungen
Indien ist der zweitgrößte Exporteur von Natursteinen, hier lagern beispielsweise 20 Prozent der weltweiten Granitvorkommen.
Besonders problematisch: In sieben von 19 untersuchten Steinbrüchen in den indischen Bundesstaaten Tamil Nadu und Karnataka wurden Kinderarbeiter angetroffen. Und nicht nur das – die Arbeitsbedingungen waren insgesamt katastrophal. Die meisten Beschäftigten hatten keine Schutzausrüstungen gegen den gesundheitsschädlichen Feinstaub, der zur tödlichen Quarzstaublunge führen kann. Nicht nur, aber auch deshalb liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Kindern, die in Steinbrüchen arbeiten, bei unter 40 Jahren. 90 Prozent der Arbeiter verfügten über keinen Arbeitsvertrag und viele waren von Schuldknechtschaft betroffen: Sie dürfen den Steinbruch erst verlassen, wenn sie ihre Schulden beim Arbeitgeber abgearbeitet haben. Bei jährlichen Zinsen von bis zu 48 Prozent sind die Chancen darauf gering.

Ein kleiner Teilerfolg
Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass die Anzahl der Kinderarbeiter in Tamil Nadu seit 2012 signifikant zurückgegangen ist, während in Karnataka rund zehn Prozent der Arbeiter minderjährig sind. Grund dafür sind Maßnahmen der Regierung von Tamil Nadu, die Kontrollteams in die Steinbrüche schickte und Druck auf die Steinbruchbesitzer ausübte, keine Kinder mehr zu beschäftigen. Reinhard Heiserer von Jugend Eine Welt wertet das positiv, sieht darin aber nur einen Teilerfolg: „Es wäre hoch an der Zeit, dass auch andere indische Bundesstaaten dem Beispiel von Tamil Nadu folgen und missbräuchliche Kinderarbeit konsequent bekämpfen. Das macht aber nur Sinn, wenn arme Familien es sich auch leisten können, ihre Kinder zur Schule anstatt zur Arbeit zu schicken. Sie brauchen faire Verdienstmöglichkeiten und im Notfall staatliche Beihilfen.“