Wie und warum man heute Priester wird, hat die Journalistin Valerie Schönian gemeinsam mit Priester Franziskus von Boeslager herauszufinden versucht. Weil nach ihrem intensiven einjährigen Online-Projekt immer noch Fragen offen sind, startet nun das Anschlussblog „Gott im Abseits“.

„Ich finde die katholische Kirche schwierig, weil sie an ihren althergebrachten Strukturen nicht rütteln will, Frauen systematisch draußen hält, sich von der Welt um sie herum immer mehr entfernt und weil sie nicht unsere Sprache spricht.“ Das schreibt Timm Giesbers, 24, Journalist und konfirmierter Protestant ohne „Anschlusskirchenbezug“. Giesbers gehört damit zu denen, die sein Journalistenkollege Hannes Schrader eine knappe Woche in einem Artikel für ZEIT Campus beschrieb: jung, gebildet, ein bisschen selbstzufrieden – und ohne Glauben an Gott. Die Gründe dafür sind verschieden: Gut 80 Prozent der jungen Deutschen vertrauen zum Beispiel einer Kirche nicht, „die Rockgottesdienste braucht und wenigstens eine House-of-Cards-Referenz in der Predigt, irgendwas mit WhatsApp und WLAN im Gottesdienst, um uns […] zu locken“ – und damit trotzdem nichts von dem Traditions-Mief und allen Missbrauchsskandalen loswird, die Grund sind für so viele Austritte.

Gott ghostet man nicht

Warum diese jungen Menschen auch von Gott und einem Glaube jenseits der Institution Kirche nichts wissen wollen? Schrader vermutet: eine „Scheißangst“ vor der Liebe. „Denn [Gott] lieben heißt, sich festzulegen, so richtig, volle Kanne. Nicht nur ‚Interessiert‘ zu klicken, sondern hinzugehen. Gott ghostet man nicht, dafür [ist er] zu krass.“

Wie „krass“ das alles ist, hat Valerie Schönian – ebenfalls jung, ebenfalls Journalistin, ebenfalls ohne aktives Glaubensbekenntnis – festgestellt, als sie den katholischen Priester Franziskus von Boeslager ein Jahr lang durch seinen „Job“ begleitete. Ihr Blog „Valerie und der Priester“ schlug ein wie eine Bombe. Auf einmal war da jemand, der diesen Riesenkomplex Kirche so thematisierte, dass man sich wiederfand. Nämlich kritisch. Auf Deutsch. Und aus der Sicht einer Generation, der so gern der Buchstabe „Y“ verpasst wird. Y wie „why“ – „warum“. Es waren also viele, viele Fragen, die Schönian stellte. Fragen wie: Missbrauchsskandal und Glaubenstreue – wie geht das zusammen? Oder Homosexualität: Wie kann man anno 2016 „dagegen“ sein? Schönian und von Boeslager gelang es, ihren Diskurs, ihre Dispute so zu führen und aufzubereiten, dass man das Gefühl bekam: Da ist was. Das hat was mit mir und uns zu tun – Traditionen hin oder her.

Kirche anno 2017

Und weil das unheimlich vielen so ging, schreibt Schönian gerade nicht nur an einem Buch über dieses „verrückte“ Jahr mit „ihrem“ Priester, sondern hat die initiierende Deutsche Bischofskonferenz ein Anschlussprojekt ins Netz geschickt: Für „Gott im Abseits“ ist es nun zunächst Schönians Freund und Kollege Timm Giesbers, der bis Mitte November von seiner Zeit in der Elisabeth-Straßenambulanz in Frankfurt am Main berichtet. Im Sommer ist er in die Kommunität der Missionsärztlichen Schwestern Frankfurt eingezogen, um Schwester Karin Knötig und ihre Mitschwestern bei ihrem Engagement für die körperliche und seelische Gesundheit von Obdachlosen und Geflüchteten über die Schulter zu schauen – herauszufinden, warum „man“ das macht. Andere Journalisten, andere Orte, andere Geistliche werden folgen.

„Bei ‚Gott im Abseits‘ werden authentische Zeugen präsentiert, die davon berichten, wie ihr Glaube sie dazu motiviert, Jesus Christus gerade dort zu bekennen, wo man es nicht vermutet und von außen betrachtet Gott kaum erwarten würde,“ erklärt Pfarrer Michael Maas, Leiter des Zentrums für Berufungspastoral der Deutschen Bischofskonferenz. Im Mittelpunkt stehe dabei immer die Berufung der jeweiligen Person, die an diesen Orten den Glauben bezeuge. „Es wird die Frage sein, was sie für eine solche aufopferungsvolle Arbeit motiviert und woraus sie für ihren Dienst Kraft schöpft. Zugleich wird auch deutlich, wie die Kirche dem Auftrag des Evangeliums nachkommt und sich für die Benachteiligten und Bedürftigen einsetzt – oder um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen: ‚hinausgeht an die Ränder der Gesellschaft‘“, so Maas.

Zum Weiterlesen

gott-im-abseits.de
www.facebook.com/gottimabseits
Hannes Schrader in ZEIT Campus: Unsere Scheißangst »

Quelle: Gott im Abseits / dbk.de / kathpress.at / ZEIT Campus / red