Vor 25 Jahren fiel die Berliner Mauer, mit ihr die Grenze zwischen Ost und West und ein Regime, das seine Macht auf Unterdrückung baute. Im Rahmen von Gedenkfeiern am vergangenen Sonntag weiteten Vertreter der Kirchen in ihren Reden den Horizont der Erinnerung bis hinein in die Zeit des Nationalsozialismus.

SpitzenvertreterInnen von Staat und Gesellschaft haben am Sonntag in Berlin mit einem Gottesdienst des Mauerfalls vor 25 Jahren gedacht. In der ökumenischen Feier in der "Kapelle der Versöhnung" bei der Mauergedenkstätte mahnte der evangelische Landesbischof Markus Dröge, bei der Freude über die Grenzöffnung von 1989 den 9. November 1938 nicht zu vergessen. Die nationalsozialistischen "Pogrome gegen jüdische deutsche Nachbarn" vor 76 Jahren seien "wie ein Gegenbild der friedlichen Revolution", betonte Dröge. "Beide Daten gehören in das kollektive Gedächtnis unseres Volkes". Die Geschichte lehre, "jedem Anzeichen von Diskriminierung, jeder Herabwürdigung der Menschenwürde und jeder gewaltsamen Einschüchterung der Meinungsfreiheit im Keim zu widerstehen".

Zu den Bildern des jubelnden Volkes, das im November 1989 fröhlich auf die Mauer geklettert sei, gehöre überdies die lange Geschichte davor, so der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Zu verdanken sei das historische Ereignis auch den Menschen, "die über Jahre und Jahrzehnte mutig waren und persönliche Nachteile in Kauf genommen haben".

Zudem dankte Dröge allen, "die Räume geöffnet haben, in denen der Geist der Freiheit wehen konnte. Unter anderen seien dies Kirchengemeinden gewesen. "Über Umwelt- und Friedensfragen, über freie Meinungsäußerung und freie Wahlen, über Wehrdienstverweigerung und Demokratie konnte hier offen debattiert werden."

Bischof warnt vor "Ostalgie"

Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen hat eine zunehmend positive Sicht auf den SED-Staat verurteilt. "25 Jahre nach der Wende gilt es, solche Verklärung zu entlarven und die Erinnerung an das Unrechtsregime in der DDR wach zu halten", sagte er am Sonntag in Vacha (Thüringen) in einem Gottesdienst zum 25. Jahrestag. Es habe seine Bürger "systematisch bespitzelt, eingemauert und Andersdenkende eingesperrt und gefoltert".

Algermissen rief dazu auf, "die Erinnerung an die vielen wach zu halten, die mit dazu beigetragen haben, dass das Unrechtssystem gewaltlos zu Fall kam". Er nannte "die mutigen Bürgerrechtler und die friedlichen Demonstranten", aber auch Vertreter von Kirche und Politik, "die prophetisch und entschieden gehandelt haben".

"Freiheit ist ein ebenso kostbares wie anspruchsvolles Gut", betonte der Bischof des Bistums Fulda. "Als Christen müssen wir immer wieder darauf hinweisen, dass es keine Freiheit ohne Bindung und Begrenzung geben kann." Er mahnte, "Gesicht zu zeigen gegen alle Kräfte, die mit billigen Parolen und auf menschenverachtende Weise ihre extremen Vorstellungen durchsetzen wollen".

Evangelische Synode im Zeichen des Gedenkens

Ganz im Zeichen des Gedenkens an den Fall der Mauer stand auch der Eröffnungsgottesdienst der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Sonntag in der Dresdener Kreuzkirche. Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende, Jochen Bohl, erinnerte in seiner Predigt daran, dass vor dem Herbst 1989 "die umstürzenden Ereignisse unter dem Dach der Kirche vorbereitet" wurden.

Die Kirchen seien die einzigen Institutionen in der Gesellschaft der DDR gewesen, "die sich dem Druck des diktatorischen Staates zu widersetzen und trotz aller Pressionen ihr Eigenleben nach ihrem Selbstverständnis zu gestalten wussten". Die Texte der Ökumenischen Versammlungen in Dresden und Magdeburg zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung 1988/89 hätten dabei eine Tiefenwirkung gewonnen.

Weiter meinte Bohl: "Es war eine friedliche und auch eine protestantische Revolution, denn zu einem guten Teil wurde sie von evangelischen Christinnen und Christen gemacht." 1989 sei eine "angefochtene Kirche" ihrem Herrn treugeblieben. Bohl mahnte auch, an diesem Tag den 9. November 1938 "und was ihm folgte" nicht zu vergessen; "also sehen wir demütig auf unsere Geschichte, weichen ihr nicht aus", fügte er hinzu.


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