Papst Franziskus hat sich während seiner zehnten Auslandreise nicht gänzlich neu erfunden, doch schlug er in den USA, dem Land seiner schärfsten Kritiker, ungewohnte Töne an: Hier, im Kernland des Kapitalismus, versuchte der "oberste Brückenbauer", all jenen eine Brücke zu bauen, die seine Kapitalismuskritik für überzogen und ungerecht halten.

Erstmals wandte sich der Papst in den USA ganz ausdrücklich an die Mittelschicht, an jene Männer und Frauen "die täglich darum bemüht sind, eine ehrenwerte Arbeit zu verrichten, das tägliche Brot nach Hause zu bringen, etwas Geld zu sparen und Schritt für Schritt ein besseres Leben für ihre Familien aufzubauen", wie er von dem Kongress erklärte.

Statt der üblichen Geißelung eines menschenverachtenden Weltwirtschaftssystems würdigte der Papst vor dem Kongress in Washington das Unternehmertum als "edle Berufung". Kapitalismus-Kritik gab es im Kapitol ebenso wie während seines gesamten Besuchs in den USA nur in homöopathischen Dosen.

Dennoch mutete der Papst so manchem konservativen Republikaner Einiges zu: Im Kongress forderte er die Abschaffung der Todesstrafe, mahnte einen humanen Umgang mit Flüchtlingen an, auf das Thema Abtreibung ging er in seiner gut 50-minütigen Rede hingegen nur mit einem Satz ein. Auch das Reizwort "Klimawandel" sprach der Papst ausdrücklich an und bekräftigte in seiner Begrüßungsansprache im Garten des Weißen Hauses, dass dieser hauptsächlich vom Menschen verursacht sei. Für diese Aussage seiner Umweltenzyklika "Laudato si" war er in den USA stark kritisiert worden. Vor dem Kongress nannte er den Begriff nicht explizit, forderte aber allgemein zum Umweltschutz auf.

In seiner Rede vor den Vereinten Nationen in New York ging der Papst in Sachen Umweltschutz und Armutsbekämpfung inhaltlich nicht über das hinaus, was er bereits in seiner Umweltenzyklika "Laudato si" gesagt hatte. "Historisch" war seine Rede dennoch: Erstmals legte ein Papst seine ganze moralische Autorität in die Waagschale, um eine konkrete Vereinbarung der Vereinten Nationen zu unterstützen, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklungsziele.

Auch unter den katholischen Bischöfen des Landes, die sich in der öffentlichen Debatte stark auf die Themen Abtreibung, Homo-Ehe und Verbot künstlicher Verhütungsmittel konzentrieren, dürfte der Besuch des Papstes zumindest Verunsicherung hervorgerufen haben. Der Bischofskonferenz legte er in Washington ausdrücklich die Sorge für Flüchtlinge ans Herz, von diesen drei für die Bischofskonferenz zentralen Themen sprach er jedoch während der gesamten Reise allenfalls am Rande. Das einzige Zugeständnis, das der Papst offenbar an die Bischofskonferenz machte, war sein starker Akzent auf dem Thema Religionsfreiheit.


Verurteilung des sexuellen Missbrauchs

Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch setzte Franziskus durch sein Treffen mit Opfern in Philadelphia ein starkes Zeichen. Es war seine erste Zusammenkunft dieser Art im Ausland. Das erste und bislang einzige Mal war er im Juli 2014 im Vatikan mit Missbrauchsopfern zusammengetroffen. Mit seiner Ankündigung vor den Bischöfen, dass "alle Verantwortlichen" zur Rechenschaft gezogen würden, machte er deutlich, dass auch Bischöfe, die Missbrauch vertuschen, mit Konsequenzen zu rechnen haben. Damit stärkte er dem Bostoner Kardinal Sean Patrick O'Malley den Rücken, dem Vorsitzenden der päpstlichen Kinderschutzkommission.

Beim katholischen Weltfamilientreffen in der US-Metropole blieb der Papst wohl mit Blick auf die bevorstehende Bischofssynode zur Familie zurückhaltend. Kontroverse Themen wie den Umgang mit Geschiedenen oder homosexuellen Paaren sprach er nicht an. Der Debatte im Oktober möchte er nicht vorgreifen.

Vor seiner Reise, war Franziskus' Besuch auf Kuba und in den USA bisweilen als krönender Abschluss seiner historischen Vermittlung zwischen den beiden verfeindeten Staaten gesehen worden. Dieser Aspekt rückte in der vergangenen Woche jedoch weitgehend in den Hintergrund. Vom vorhergehenden Kuba-Besuch des Papstes dürfte vor allem in Erinnerung bleiben, dass Franziskus als erster Papst offenbar bereit war, sich mit Regimegegnern zu treffen. Auch wenn es dazu schließlich nicht kam, weil anscheinend Sicherheitskräfte ein solches Treffen vereitelten, gab Franziskus damit ein deutliches Signal für die Menschenrechte. Anders als seine Vorgänger nahm er dafür in Kauf, die kommunistischen Machthaber zu brüskieren. In seinen Reden und Ansprachen ging Franziskus hingegen in Sachen Menschenrechte nicht über das hinaus, was Benedikt XVI. gesagt hatte, bisweilen formulierte er sogar vorsichtiger. Kritik am Regime fand sich vor allem zwischen den Zeilen.


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