Veranstaltung thematisierte Unterschiede in europäischen Gesellschaften im Umgang mit den Geschehen im ehemaligen Vernichtungslager

Warschau (KAP) Im polnischen Oswiecim (Auschwitz) haben auf Einladung der katholischen Maximilian-Kolbe-Stiftung rund 30 kirchliche Vertreter aus acht europäischen Nationen in einem fünftägigen Workshop den Versuch unternommen, gemeinsam die Lehren aus der gewaltvollen Vergangenheit des Ortes zu ziehen. "Die zahlreichen Gewalterfahrungen Europas im 20. Jahrhundert lassen sich ohne die Auseinandersetzung mit Auschwitz nicht verstehen", erklärte Stiftungs-Vorsitzender Jörg Lüer. Ziel sei es gewesen, die Unterschiede zur Sprache zu bringen, die es in den europäischen Gesellschaften im Umgang mit den Geschehen im ehemaligen Vernichtungslager gibt. Jeder einzelne verbinde andere Erinnerungen - für das gegenseitige Verständnis bedeute dies eine große Herausforderung.

In Oswiecim wurden während des Zweiten Weltkrieges rund 1,3 Millionen Menschen von den Nationalsozialisten systematisch ermordet, vorwiegend Juden, Polen, Sinti und Roma sowie russische Kriegsgefangene. "Auschwitz ist das Epizentrum Europas", sagte der Direktor der heutigen Gedenkstätte, Piotr Cywinski, bei der Veranstaltung im Blick auf die Erschütterungen, die das Vernichtungslager bis heute auslöst. Die Geschichte aller europäischen Nationen sei aufs Engste verknüpft mit diesem Ort, der wie kein anderer auf der Welt symbolisiere, zu welch teuflischen Taten Menschen fähig seien.

Der Workshop startete mit einer Führung durch das ehemalige Konzentrationslager. Wie vielen Besuchern der Gedenkstätte fiel es auch den Teilnehmern des Workshops schwer, unmittelbar darauf über das Gesehene zu sprechen. "Der Dialog ist nicht einfach, weil es so unterschiedlich ist, was jeder Einzelne empfindet", erklärte dazu der deutsche Seelsorger im "Zentrum für Dialog und Gebet in Oswiecim", Manfred Deselaers. Manchmal könnten Menschen nach dem Besuch der Gedenkstätte besser gemeinsam schweigen als miteinander zu reden.

Für ein "tragfähiges, gutes Europa"

Die konkrete Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Auschwitz treffe ihn tief, "man kann das nur verstehen, wenn man wirklich hier war", erklärte Marko Antonio Brkic, Direktor des Instituts für Interreligiösen Dialog in Sarajevo. Der Versuch, "den Opfern ihre Würde zurückzugeben", beeindrucke ihn: Indem ihr Schicksal benannt wird, seien sie nicht länger unzählige namenlose Opfer, sondern einzelne Menschen. Nachdenklich stimme ihn jedoch die Frage, ob die Menschheit Lehren aus den grauenhaften Verbrechen gezogen habe: "Wenn man sich die Geschichte unseres Landes und das Massaker von Srebrenica anschaut, muss man fürchten, dass niemand etwas gelernt hat."

"Ohne das Verständnis der europäischen Kernerfahrung Auschwitz werden wir die Verletzungen der verschiedenen europäischen Gesellschaften nicht verstehen", hob Stiftungs-Vorsitzender Lüer hervor. "Wenn wir die Verletzungen nicht verstehen, werden wir einander nicht verstehen. Und ohne dieses Verständnis werden wir auf lange Sicht kein tragfähiges, gutes Europa bilden können."

"Nie wieder und nirgendwo"

Auschwitz sei "eine Wunde, die immer noch und immer wieder neu blutet", erklärte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Wie kein anderer Ort stehe es für das Unrecht, das Deutschland Juden und anderen Völkern angetan habe. Die Erinnerung an die Vergangenheit müsse lebendig bleiben, damit nie wieder solches Unrecht geschehe. Auch heute gebe es auf allen Kontinenten die Verfolgung von bestimmten Völkergruppen, mahnte Schick. Achtsamkeit und Engagement seien gefordert, damit so etwas wie in Auschwitz "nie wieder und nirgendwo" geschehe.

Der Erzbischof rief auch die Kirche zu "konstruktiver Versöhnungsarbeit" auf. Es gehöre unverzichtbar zum Selbstverständnis der Kirche, an der Überwindung von Konflikten und der Schaffung von Frieden mitzuwirken. In der Vergangenheit habe die Kirche sich jedoch gelegentlich nur widerwillig dieser Herausforderung gestellt, bedauerte Schick.

(Quelle: Kathpress)