Bei seinem dreitägigen Aufenthalt in der Türkei zeigte sich Papst Franziskus erneut als Brückenbauer - sowohl im Dialog mit der Orthodoxen Kirche als auch im Dialog mit dem Islam. Der Papst war klar in seinen Worten und eindrücklich in seinen Gesten. Als gemeinsames Anliegen aller Religionen in der Türkei nannte er den Kampf gegen religiösen Fanatismus und Fundamentalismus.

Mit einem Appell zu einer Ökumene auf Augenhöhe hat Papst Franziskus am Sonntag seinen dreitägige Türkei-Besuch in Istanbul beendet. Volle Gemeinschaft der Kirchen dürfe nicht eine gegenseitige "Einverleibung" oder "Unterwerfung" bedeuten, sagte Franziskus. Zuvor hatte er an der Feier des orthodoxen Andreas-Festes mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. teilgenommen. Er ist das Ehrenoberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit. Anschließend unterzeichneten beide eine gemeinsame Erklärung zu Ökumene.

Meinungs- und Religionsfreiheit

Die großen Themen der sechsten Auslandreise von Franziskus, waren neben der Ökumene auch der katholisch-islamische Dialog, die Religionsfreiheit und die Lage der bedrängten Christen und anderen Minderheiten im Nahen Osten, vor allem in Syrien und im Irak. Vor Spitzenvertretern aus Politik und Gesellschaft forderte der Papst am Freitag gleiche Rechte für muslimische, christliche und jüdische Bürger in der Türkei. Er sprach damit die Diskriminierungen an, denen die christlichen Kirchen oder muslimische Minderheiten wie die Aleviten in der Türkei ausgesetzt sind.

Zugleich scheute Franziskus, der die argentinische Militärdiktatur erlebt hat, nicht davor zurück, im Gespräch mit Erdogan für eine Achtung der Meinungsfreiheit einzusetzen. Erdogan nutzte den Besuch seinerseits, um seine jüngste Kritik am Westen zu erneuern und beklagte eine zunehmende Islamfeindlichkeit im Westen.

Franziskus ließ sich jedoch nicht auf gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen westlicher und islamischer Welt ein. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche rief Muslime und Christen zum gemeinsamen Kampf gegen religiösen Fanatismus und Fundamentalismus auf. Mit Blick auf das grausame Treiben der Terrormiliz "Islamischer Staat" in den Nachbarländern Syrien und Irak bekräftigte er zudem, dass ein "ungerechter Aggressor" im Einklang mit dem Völkerrecht gestoppt werden müsse.

Öffentliche Wahrnehmung

Jubelnde Menschenmassen begrüßten Franziskus in der Türkei ebenso wenig wie dies bei seinen Vorgängern der Fall war. Vom Papst wurde auf den Straßen von Ankara und Istanbul kaum Notiz genommen. Der Vatikan hatte damit gerechnet und den offenen Geländewagen in Rom gelassen. "Viva Papa"-Rufe gab es am Samstag nur in der katholischen Heilig-Geist-Kirche in Istanbul, wo sich einige hundert Katholiken und Christen anderer Konfessionen zum Gottesdienst mit dem Papst versammelt hatten. Zu den politischen Gesprächen von Franziskus in Ankara sagte Vatikansprecher Federico Lombardi, solche Termine seien bekanntlich "nicht ganz sein Milieu".

Die türkische Presse berichtete überwiegend wohlwollend über den Papst. Nur islamistische Medien kritisierten den Besuch offen. Im Vergleich zur Reise von Benedikt XVI. 2006, die von der Empörung über die Regensburger Rede überschattet wurde, war die Situation diesmal nach Ansicht von Beobachtern allerdings von vorneherein deutlich entspannter.

Gebet und Segensbitte

Die Türkei-Reise war nicht zuletzt eine Reise der großen Gesten: Franziskus besuchte erstmals seit seinem Amtsantritt eine Moschee, nämlich die Blaue Moschee in Istanbul. Dort verharrte er an der Seite des Großmufti mit gefalteten Händen, geschlossenen Augen und gesenktem Kopf, während der Großmufti ein Gebet sprach. Es habe sich um eine "stille Anbetung" des Papstes gehandelt, teilte Lombardi anschließend mit. In der türkischen Presse gab es Spekulationen, beide hätten für den Frieden im Nahen Osten gebetet. Franziskus war der dritte Papst der eine Moschee besuchte, aber der erste der dort die Hände faltete.

Eine bemerkenswerte Szene war auch die Bitte des Papstes um einen Segen für ihn und die "Kirche von Rom" an den Ökumenischen Patriarchen. Franziskus beugte dazu während des ökumenischen Gebets seinen Kopf tief vor dem kleingewachsenen Patriarchen, der ihm einen brüderlichen Kuss auf seine weiße Scheitelkappe gab.

Auffallend war, dass der EU-Beitritt der Türkei diesmal, anders als beim Besuch von Benedikt XVI. vor acht Jahren, keine Rolle spielte - und dass obwohl der argentinische Papst drei Tage vor seinem Besuch vor dem Europaparlament gesprochen hatte.
 

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