Eine Positionierung von Erwachsenenbildungseinrichtungen zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Islamgesetz 1912 geändert wird.

In Österreich erleben wir gute Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften und hohen Respekt zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat. Um dieses, in Europa vorbildlich gute Klima zu erhalten, ja zu stärken, bedarf es weiterhin großer Anstrengungen von allen Seiten.
 
Als christliche und muslimische Einrichtungen der berufsbildenden und allgemeinen Erwachsenenbildung – mit besonderem Schwerpunkt auf politischer und demokratischer Bildung – verfolgen wir mit Sorge den Novellierungsprozess des Islamgesetzes.
 
Eine Novellierung des Islamgesetzes aus dem Jahr 1912 erachten wir grundsätzlich als notwendig und positiv. Wir verbinden mit einem neuen Islamgesetz die Erwartung, dass es dazu beiträgt, den sozialen Frieden in Österreich zu bestärken.
 
Daher sind wir durch folgende Vorgangsweise irritiert:
 
- Der gegenständliche Entwurf ist – entgegen jahrzehntelang bewährter Praxis – vor Einleitung des Begutachtungsverfahrens nicht in allen Punkten mit der Glaubensgemeinschaft abgesprochen worden.
- Die Gesetzesvorlage wird der komplexen Situation der Musliminnen und Muslime in Österreich nicht gerecht, vor allem was die Organisation in Vereinen und die Ausbildungsmodalitäten betrifft.

Darüber hinaus sind wir über den Zeitpunkt besorgt:
Das Gesetz entsteht in Zeiten, in denen kollektive Ängste in den europäischen Ländern aufgrund weltpolitischer Krisen und Kriege entstehen. Muslime werden in den Mittelpunkt der sozialen und politischen Aufmerksamkeit gerückt und geraten somit, selbst wenn es nicht die Absicht des Gesetzgebers ist, unter Verdacht.
 
Mit der Gewissheit, dass in der österreichischen Demokratie jeder Mensch ein gleichberechtigtes, freies und verantwortliches Mitglied der Gesellschaft ist, verweisen wir hier auf die soziopolitische Macht des Gesetzesentwurfes, wenn er denn unverändert in Kraft treten sollte.
 
Musliminnen und Muslime müssen auch in Zukunft gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger sein können. Besonders für die junge Generation, die wir in unseren Bildungseinrichtungen aus- und weiterbilden, ist das von enormer Bedeutung.

In Österreich ist ein sehr gutes Miteinander der Religionen – vorbildlich für ganz Europa – aufgrund der Anerkennung aller Religionsgemeinschaften und einer Politik der Hereinnahme aller Menschen erlebbar. Dieses friedliche Zusammenleben resultiert aus einer langen, kollektiven Erfahrung von sozialem Respekt zwischen Individuen und Gruppen, wobei dem Staat als Garant der Freiheit und Gleichheit dabei eine zentrale Rolle zukommt.
 
Daher verwundert es uns, dass im Gesetzesentwurf an drei Stellen von Muslimen eine positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft verlangt wird, wo doch in den letzten Jahrzehnten diese positive Grundeinstellung praktiziert und umgesetzt wurde. Das wahrnehmbar gute gesellschaftliche Klima, welches hier im Lande über die Jahrzehnte aufgebaut wurde, darf durch diesen Gesetzesentwurf nicht gefährdet werden.
 
Wir plädieren daher, bei der Novellierung des Islamgesetzes mit Bedacht vorzugehen und dem dafür notwendigen demokratischen Diskussionsprozess entsprechend Raum und Zeit zu geben.
 
Wir appellieren an die GesetzgeberInnen und die österreichische Bundesregierung, alles zu tun, um den Respekt und das Verständnis füreinander zu fördern und jeglichen Pauschalierungen und Schuldzuweisungen entgegenzuwirken.
 
Mit dem Ersuchen, diese Stellungnahme im Rahmen des beabsichtigten Gesetzgebungsverfahrens entsprechend zu berücksichtigen
 

Dr.in Kirsten Beuth
Direktorin, Evangelische Akademie Wien
1090 Wien, Schwarzspanierstraße 13

Dr.in Magdalena M. Holztrattner
Direktorin, ksoe - Katholische Sozialakademie Österreichs
1010 Wien, Schottenring 35

Mag.a Amena Shakir
Direktorin, Privater Studiengang für das Lehramt für islamische Religion an Pflichtschulen (irpa)
1230 Wien, Eitnergasse 6