Baldinger JulianaEl Berba (KAP) Die aus Oberösterreich stammende Ordensfrau Juliana Baldinger verfolgt den politischen Umbruch in Ägypten "mit gemischten Gefühlen". Sie betrachte das Engagement der demonstrierenden Jugendlichen durchaus positiv, sagte sie gegenüber dem Linzer "Volksblatt". Was die Muslimbrüder betrifft, sei sie aber davon überzeugt, dass diese ganz andere Veränderungen als die jungen Ägypter wollen.

Sr. Baldinger lebt und wirkt seit 19 Jahren in Ägypten. Die Christen hätten große Angst vor einer größeren Macht der Muslimbruderschaft, so die Ordensfrau. In dem Ort, in der sie lebt, sehe sie kaum gemäßigte Kräfte unter ihnen. Sie befürchtet, dass dann, wenn sie entsprechend Einfluss haben sollten, ihr Ziel lautet: "Weg mit den Christen!"

Sie hoffe dennoch, dass diese Befürchtungen nicht eintreffen. Sie wolle weiter als Ordensfrau sowohl Christen als auch Muslimen zur Seite stehen. Ihre Erfahrungen in Ägypten hätten sie aber gelehrt, in Bezug auf die Zukunft "eigentlich nicht optimistisch" zu sein. Bei den Verhandlungen der Opposition mit der Regierung in Kairo seien zwar diese Woche auch zwei christliche Vertreter dabei gewesen. Aber als die einen besseren Status für die Christen im Land aufs Tapet bringen wollten, sei ihnen beschieden worden, dass dieses Thema jetzt nicht so wichtig sei.

Juliana Baldinger (55) gehört seit 16 Jahren zum Orden der Sionsschwestern ("Notre Dame de Sion") in El Berba 250 Kilometer südlich von Kairo. Dort leitet sie eine Tagesheimstätte für behinderte Kinder. Bereits bei der Ablegung ihres Ewigen Ordensgelübdes im Jahr 1995 bekam sie die Probleme zu spüren: Die damit verbundene Feier mussten abgesagt werden, weil es in den Nachbardörfern zu mehreren Terroranschlägen gekommen war.

Ein Viertel der 10.000 Einwohner El Berbas sind koptische Christen. Sie erleben sich selbst als "Bürger zweiter Klasse". Die Muslime seien aber gleichzeitig nicht abgeneigt, die Hilfe der katholischen Sionsschwestern anzunehmen, was sich auch an Baldingers Schützlingen zeigt: 15 der 18 von ihr betreuten Kinder sind Muslime. Auch im örtlichen Entwicklungshilfezentrum achten die Schwestern darauf, dass allen gleichermaßen geholfen werden kann. Derzeit sei es in El Berba relativ ruhig, schilderte sie dem "Volksblatt". Die Männer haben wie anderswo im Land auch eine Bürgerwehr gebildet, um die Plünderer abzuschrecken.

 
"Mut" von Christen und Muslime

Kneissl KarinDie österreichische Nahost-Expertin Karin Kneissl zeigt sich hingegen optimistischer über die Entwicklungen in Ägypten. Sie sei "schwer beeindruckt", wie viel Mut Ägypter "aus sämtlichen Bevölkerungsschichten" bewiesen hätten, sagte sie in einem Interview für die kommende Ausgabe der westösterreichischen Kirchenzeitungen: "Denen war ja bewusst, was ihnen drohen kann, weil sie wissen, was sich in den Polizeirevieren abspielt." Die Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Ägypten und Tunesien seien vom Westen bisher nicht beachtet worden, jetzt hoffe sie auf eine "Wende zum Besseren" und einen "arabischen Frühling", der "nicht nur ein kurzer Zwischenruf" ist.

Kneissl weist auf die Beteiligung koptischer Christen an den Demonstrationen hin: "Viele sagen, das Problem besteht nicht zwischen den Muslimen und den Christen, das Problem besteht zwischen Mubarak, dem System um ihn herum und der Bevölkerung", so Kneissl. Mubarak habe bei den Angriffen und der Gefährdung von Christen "schon sehr lange zugesehen", um die Bevölkerung zu "teilen" und "einen gewissen Zorn" auf andere zu projizieren.

Die Probleme der Christen in Ägypten seien zwar nicht gelöst, allerdings handle es sich zurzeit "um einen echten Volksaufstand" im Land. Kneissl sieht in diesem Aufstand eine gewisse Einigung: "So etwas erleben wir in der Geschichte nicht so oft und da marschieren alle nebeneinander - da sind Leute aus den Müllbergen vor Kairo genauso dabei wir Richter, Hausfrauen, Muslimbrüder und Christen."

Aber selbst wenn sich politisch alles zum Besseren wenden sollte und zumindest freie Wahlen kommen, bleibe das Problem der Armut und der wirtschaftlichen Krise im Land. Ägypten importiert fast 80 Prozent seiner gesamten Grundnahrungsmittel, und deren Preise seien auf dem Weltmarkt stark gestiegen. Eine neue politische Ordnung brauche daher weiterhin Unterstützung von außen. Ohne massive Wirtschaftshilfe besonders der USA wäre der ägyptische Staatshaushalt nicht zu finanzieren.

(Quelle: kathpress.at, Bilder: Dr. Karin Kneissl, Diözese Linz)