Predigt von Dekan Erich Baldauf zum 50-Jahr-Jubiläum des Bildungshauses Batschuns am 8. Dezember 2015.

Liebe Gläubige!

„Begegnen – bilden – bewegen“ – Die Worte stehen auf der Einladung zu diesem Jubiläumsfest 50 Jahre BH Batschuns. Sie beschreiben Grundanliegen dieses Hauses, bzw. es gehört zum Selbstverständnis des BH Batschuns. Ich verknüpfe dazu Impulse aus den Schrifttexten dieses Festtages:

Begegnen

Ein Bildungshaus ist ein Ort der Begegnung. Es treffen sich hier Lehrende und Lernende, die Besucher untereinander, Arbeitende und Gäste … Manche der Referenten kommen von weit her und sie bringen Neues, Fremdes, noch nicht Bedachtes mit. Das Lernen bzw. die Bildung steht immer im Zusammenhang mit einer Begegnung. Die Bereitschaft zum Lernen ist weit größer, wenn der Referent authentisch ist, wenn wir spüren, er/sie hat Kompetenz und er/sie steht hinter dem, was er/sie vertritt.

Von solch einschneidenden Begegnungen erzählen die uns sehr vertrauten Lesungen des Feiertages. Beim sogenannten Sündenfall wird uns vor Augen gestellt, dass Begegnungen misslingen können, dass sie jemanden frustriert, enttäuscht, nackt zurück lassen.  Es ist kunstvoll geschildert, wie es dazu kommt. Man kann dabei die Schuld für die misslungene Begegnung schwer zuordnen. Es ist ein Gemenge von Gründen: hohe Erwartungen, doppelzüngige Rede, sich blenden lassen, falsche Versprechungen, Selbstüberschätzung u.a.m.

Beide Lesungen bezeugen zugleich, dass Gott die Begegnung mit dem Menschen sucht. Gott begegnet Adam und Eva, um sie wieder begegnungs- und lebensfähig zu machen. Er ermöglicht es, dass sie aus dem Versteck wieder ins Leben zurückkehren. Erst in Begegnungen – im Begegnen mit Achtung und Respekt - wird der Mensch lebendig, beginnt er zu leben, kann er leben.
Maria erlebt eine prekäre Situation. Sie steht vor einer schwierigen Entscheidung. Da begegnet ihr ein Engel. Es bleibt offen, ob sich dahinter ihr Gewissen, ein Mensch, vielleicht Josef oder einfach ihr gelernter Glaube verbirgt? Eine Stimme sagt zu ihr: Du Begnadete. Ich möchte es frei übersetzen: Es ist gut, dass du da bist. Auf diesem Hintergrund wurde ihr Ja zum Leben, ihr Ja zum Weitergehen möglich.

Ich denke, es ist für das Gelingen von Begegnungen ganz entscheidend, dass jemand nicht als Mangelwesen wahrgenommen wird,  sondern in erster Linie als begnadeter Mensch. Es ist gut, dass du da bist. Auf dieser Grundlage können Menschen lernen, sich bilden, weiter-bilden -  im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich wünsche dem Bildungshaus, dass es dazu beiträgt, dass sich die Menschen hier als begnadet erfahren dürfen.

Bilden

Es gehört zum Wesen dieses Hauses, dass es den Menschen helfen will, sich zu bilden. Im Wort bilden ist das Wort Bild enthalten. Die Bildung als Beitrag, dass das Bild des Menschen - die Menschlichkeit - geformt und sichtbar wird. Wir sind eine Buchreligion. Die Bibel als Wort Gottes beschäftigt sich - wie kein anderes - mit diesem Anliegen, dem Menschen eine menschliche Gestalt zu geben. Ich bin dankbar, dass diesem Bildungshaus die Beschäftigung mit dem Wort Gottes immer ein wichtiges Anliegen war und nach wie vor ist.
In der Sündenfallerzählung wird von Eva gesagt, dass sie klug werden will. Sie will wie Gott werden. Sie will die Erkenntnis von Gut und Böse. Wenn sich der Mensch zum Maßstab über Gut und Böse macht, dann geht das Paradies verloren.  

Biblische Bildung ist verbunden mit dem Ordnen der Lebenssituation. Gott begegnet Adam und Eva, um einen neuen Ort des Lebens zu finden, mit neuem Horizont, mit festem Boden unter den Füßen. Sie finden sich dabei selbst neu, werden lebendig und können Leben weitergeben.
Biblische Bildung als Hilfe, um mit dem Leben in Berührung zu bleiben. Die Welt ändert sich. Die Menschen um uns ändern sich. Man ändert sich auch selbst.

Es hat etwas für sich, die Verkündigung an Maria als Bildungssituation zu deuten: Der Engel hilft Maria, das Leben in ihrer schwierigen Situation zu verstehen und auch zu ordnen. Ein Engel – Bild für eine andere Stimme, für eine Stimme aus einer anderen Welt, nämlich aus der Welt Gottes und aus der Welt des Lebens. Ein Engel – er poltert und schreit nicht. Seine Stimme will ihr Herz erreichen, sie als Mensch.
Maria darf lernen, wie Gott sie sieht. Nämlich als begnadeten Menschen. Sie darf weiter erfahren, dass Gott sie ernst nimmt. Er fragt um ihr Ja. Er macht ihr ferner Mut. Bildung ebenso als Beitrag, um Angst vor dem Kommenden wegzunehmen: „Fürchte dich nicht.“

Und schließlich lernt sie das Programm bzw. den Plan Gottes kennen durch den Namen, dem sie dem Kind geben soll: Jesus – Gott rettet, Gott hilft.
Sie lernt, dass es in allem nicht allein von ihrem Können und Vermögen abhängen wird. Sie darf mit der Kraft des Höchsten rechnen. Da wo sie am Ende zu sein scheint, da kommt ER ihr mit seinem Anfang zuvor. Elisabeth und Zacharias haben diese Erfahrung schon gemacht.

Biblische Bildung ist die Auseinandersetzung mit der Realität, mit der harten Realität. Sie trägt dazu bei, das Leben zu ordnen. Auch wenn die Lösung noch nicht auf der Hand liegt, wir dürfen mit dem Vertrauen suchen, dass sie jemand schon hat, dass jemand schon den Weg kennt, dass jemand schon neu begonnen hat. Vielleicht sei hier mitbedacht: Noah hat nicht die Welt gerettet, er hat eine Arche gebaut. Noah zu Deutsch: Ruhe, Stille. Rettung erwächst aus der Ruhe und Stille heraus, aus dem Gebet.
Ich wünsche dem Haus, dass viele Menschen hier erfahren dürfen, dass an ihrem Bild der Menschlichkeit gearbeitet wird.

Bewegen

Dieses BH Batschuns hat schon viel bewegt: etwa in der Bibelarbeit im Land und für das Land, im Dialog mit Muslimen, in der Hospiz- und Palliativarbeit, in der Persönlichkeitsbildung von Menschen, Führungskräften, in der Gottesdienstkultur, … die Aufzählung ist sehr lückenhaft.
Menschen, deren Leben geordnet ist, die neue Horizonte gesehen und erlebt haben, sie können bewegen. Sie können Menschen in Bewegung bringen.

Adam und Eva haben sich bewegen lassen. Sie haben ihr Versteck verlassen und haben durch die Begegnung und den Dialog einen neuen Weg gefunden. Sie haben sich auf ein neues Leben eingelassen. Maria lässt sich ebenso bewegen. Und mit ihr ist ganz viel in Bewegung gekommen. Es hat eine Zeitenwende ausgelöst. Bildung ist gefährlich, weil es viel in Bewegung bringen kann. Nicht umsonst gibt es Systeme, die Menschen oder Menschengruppen die Bildung verweigern.

Es hat in diesem Haus schon viele Begegnungen gegeben. Es haben schon viele Engelstimmen gesprochen. Dadurch ist viel in Bewegung gekommen. Nicht zuletzt hat dieses Haus viel beigetragen, dass das II. Vatikanische Konzil im Land Fuß gefasst hat, viele Gläubige – Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder - befähigt wurden, mit ihren Begabungen und Talenten die Gemeinschaft und die Gesellschaft zu bereichern.

Wir haben heute das Fest: Maria Erwählung. Es ist für viele Christen ein besonderes und wichtiges Fest. Manchmal frage ich: Bewegt die Kirche das, was sie feiert? Lebt sie das, was sie gelernt hat bzw. lehrt: Die Erwählung einer Frau? Was gibt dieser Religionsgemeinschaft heute noch das Recht, Frauen das Erwählt sein abzusprechen? Sie von Ämtern auszuschließen?

Wenn wir als Kirche nicht selbst an diese Frage herangehen, wird uns die Zivilgesellschaft über kurz oder lang fragen: Können wir diese Religionsgemeinschaft noch länger unterstützen, die die Diskriminierung hochhält?

Die wichtigsten Wunder des NT sind die Blindenheilungen. Die Bildung als Beitrag, dass der Mensch sehen lernt: sehen lernt die Wunden, die der Schöpfung, den Geschöpfen, den Mitmenschen, der eigenen Seele zugefügt werden. Erst wenn die Wunden gesehen werden, kommen wir Menschen in Bewegung, kommt unser Herz in Bewegung, bewegt sich die Politik und Gesellschaft.

Ich danke dem Bildungshaus, d.h. den vielen die hier in irgendeiner Weise tätig waren, für das, was schon bewegt wurde und an Menschlichkeit im Land gewachsen ist. Ich wünsche diesem Haus, dass die Menschen von innen her bewegt werden und dadurch viel Menschliches weiter wachsen kann.
Begegnen – bilden – bewegen. Es sind wichtige Worte für das Selbstverständnis eines christlichen Bildungshauses.
Amen.