Zum Internationalen Jägerstätter-Gedenken am vergangenen Sonntag wurde Bischof Dr. Benno Elbs eingeladen, den Gedenkgottesdienst in St. Radegund zu gestalten. In seinen Worten betonte er vor allem die Kraft des uneingeschränkten Vertrauens und die Erfahrung, dass Hass und Gewalt niemals die Herzen für sich gewinnen können.

 „Wenn wir heute auf das Leben der Märtyrer des 20. Jahrhunderts schauen, dann berührt mich immer wieder diese große Frage: Wie haben es Menschen geschafft, diese Zeit, diese vielen Jahren in Gefängnissen, die unerträglichen Demütigungen und Folter zu überstehen? Und wenn man in den Schriften dieser Märtyrer nachliest, in ihren Briefen und Aufzeichnungen, dann findet man dort Antworten, die für uns als Christinnen und Christen heute, auch viele Jahrzehnte später, ganz wichtige Hinweisschilder sein können für die Wege unseres Lebens“, diese Gedanken stellte Bischof Benno Elbs an den Beginn seiner Predigt beim Gedenkgottesdienst für den seligen Franz Jägerstätter in dessen Heimatgemeinde St. Radegund.


Organisiert wird das Internationale Jägerstätter-Gedenken jährlich von der Pfarre St. Radegund in Zusammenarbeit mit Pax Christi. Ziel ist es dabei nicht nur die Erinnerung und das Gedenken an den österreichischen Märtyrer wachzuhalten, sondern gleichzeitig den thematischen Bogen aufzuspannen und auch zu weiten.
So wurde heuer – neben dem Gedenkgottesdienst und einer Andacht zur Todesstunde – u. a. auch ein Vortrag von Francesco Comina über Josef Mayr-Nusser aus Südtirol organisiert. Josef Mayr-Nusser weigerte sich während der Zeit des Nationalsozialismus aus religiösen Gründen den Eid abzulegen und starb als Zeuge der Gewissensfreiheit.

"Den Augenblick mit Liebe füllen"

In diesem Spannungsverhältnis und vor allem in der Verbindung zu weiteren Zeugen zeichnete Bischof Benno Elbs auch die Person und das Leben Franz Jägerstätters, dessen Grundhaltungen zeitlose Vorbilder sind.
Es gehe dabei an der Basis um drei grundsätzliche Überzeugungen bzw. Erfahrungen. „Erstens: Man soll den gegenwärtigen Augenblick leben und ihn mit Liebe füllen. Der vietnamesische Märtyrerbischof François Xavier Nguyên Van Thuân schreibt, dass es ihm gelungen ist, die Zeit im Gefängnis ohne Bücher, ohne Zeitungen, ohne Kontakt mit Menschen zu überstehen, indem er versucht hat, den Augenblick zu leben und ihn mit Liebe zu füllen. Diese Haltung war auch die Haltung von Franz Jägerstätter. Es ist eine radikale Wahl, die wir als Menschen in unserem Leben treffen müssen und auch treffen dürfen: Gott den ersten Platz in unserem Leben zu überlassen. So können wir jeden Augenblick unseres Lebens mit Liebe füllen“, so Bischof Elbs.
Als einen zweiten Impuls benannte Bischof Benno Elbs die Liebe, die allein es schaffen kann, die Herzen der Menschen zu berühren, während Gewalt und Hass machtlos bleiben. „Ein Wesenszug, den auch unser lieber seliger Verstorbener Franz Jägerstätter wie auch Carl Lampert und auch Bischof Thuân gelebt haben, ist die Haltung der Güte des Herzens. Die Güte des Herzens ist die einzige Kraft, die Menschen im Innersten verwandeln kann. Es ist für mich sehr berührend, dass von den heiligen Märtyrern eine solche versöhnende Energie, eine Güte des Herzens ausstrahlt, dass sie trotz ihrer tiefsten Verzweiflung nicht Hass säen.“

"Das wahre Beten, dieses Amen, dieses Bedingungslose"

Das Beten, seine Kraft beziehungsweise auch das infrage stellen des Betens bildete den dritten Gedankenstrang der Predigtworte. „Mit einem jungen Menschen habe ich kürzlich über das Gebet diskutiert, und er meinte: ,Was nützt das Gebet schon? Wenn ich auf viele Situationen im Leben schaue, kommen mir da erhebliche Zweifel an seiner Wirksamkeit.‘ Für mich sehr beeindruckend ist ein Gespräch zwischen Pinchas Lapide, dem großen jüdischen Theologen, und Viktor Frankl, der lange Zeit im Konzentrationslager war. Lapide fragt Frankl: ,Hat Ihnen das Gebet in dieser ausweglosen Situation Kraft gegeben?‘ Frankl meint darauf, das wage er nicht zu behaupten. Er sagt: ,Beten heißt für mich, die Dinge sub specie aeternitatis,– unter dem Blickwinkel der Ewigkeit – zu sehen, also so ganz unabhängig von mir selbst. Der Mensch ist das Wesen, das die Gaskammern erfunden hat, aber auch das Wesen, das in die Gaskammern eingetreten ist – mit Angst, mit Verzweiflung, mit dem Gebet auf den Lippen. Dann muss ich sagen, was hätten sich diese Menschen einzig Gutes erbitten können, erflehen können, um was hätten sie betteln können? Gar nichts. Aber das war das wahre Beten, dieses ,fiat‘ – es soll geschehen –, dieses Amen, dieses Bedingungslose, das sich darin ausspricht.‘“

Denn Beten, so führte Bischof Benno Elbs aus, das heiße, „Gott größer denken. Trauen wir ihm wirklich etwas zu? Kein Gebet bleibt ohne Wirkung. Kein Gebet bleibt ohne Folgen. Das ist etwas, das wir heute Abend lernen dürfen. Carl Lampert und Franz Jägerstätter zeigen uns, dass das Gebet ein Netz des Vertrauens ausspannt, dass Gott unser Leben trägt und das Gebet stellt unser Leben unter diesen Bogen des Vertrauens.“

Seligsprechung 2007

Der selige Franz Jägerstätter, der aufgrund seiner religiösen Überzeugung den Wehrdienst mit der Waffe ablehnte und betonte, dass er „gegen sein religiöses Gewissen handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfen würde und er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein", wurde am 9. August 1943 in Brandenburg/Havel enthauptet.
Am ersten Juni 2007 bestätigte der Vatikan offiziell sein Martyrium.