Religionsgemeinschaften stiften Zugehörigkeit und Identität, Verwurzelung und Orientierung. So wird Religion zu "Heimat". Oder eben nicht. Manch "Heimatlose" führt ihr Weg hin zu einer anderen Religion. Welche Lebensgeschichten hinter solchen Konversionen stehen, welche Fragen und Konflikte sie mit sich bringen, darum geht es in der Sonderausstellung im Jüdischen Museum Hohenems.

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Dazu gehört nicht nur das Recht religiöser Gemeinschaften auf ungehinderte Religionsausübung, sondern auch das Recht, die Religion zu wechseln. In der Beziehung zwischen Religionen ist heute viel von Toleranz, gegenseitiger Anerkennung und Dialog die Rede. Doch Konversion, also der Übertritt von einem Glauben zum anderen, ist notwendigerweise mit Konflikten beladen. Wer konvertiert, stellt das Glaubensgebäude, das er oder sie verlässt, in Frage. Und bestätigt den Anspruch auf Wahrheit, den jene Religion erhebt, zu der man sich wendet. Lange Zeit waren Konversionen gekennzeichnet von Zwang, sozialem Druck und forcierter Assimilation. Das galt nicht zuletzt für Übertritte vom Judentum zum Christentum.

Gesellschaftliche Diskussionen über das Thema verlaufen auch heute keineswegs konfliktfrei, ja sie berühren neue Tabus und offene Fragen. Die Jüdischen Museen in Hohenems, Frankfurt am Main und München bieten diesen Kontroversen mit einer gemeinsamen Ausstellung eine Bühne.

Was zur Konversion bewegt

Die Vielfalt der individuellen Motive, der unterschiedliche Umgang von Glaubensgemeinschaften mit Konvertiten, ihre Rituale, und schließlich auch die persönlichen Erfolge und Misserfolge von Menschen, die ihre Religion wechseln, werden in dieser Ausstellung in ihrer Widersprüchlichkeit entfaltet. Dabei wird manch scheinbare Gewissheit und manches eindimensionale Bild in Frage gestellt.

Konversionen dienen den unterschiedlichsten Interessen: Für die Religionen und ihre Gemeinschaften bedeuten sie einen Zuwachs an Gläubigen, an politischer Macht, an materiellen Ressourcen. Für die Konvertiten selbst geht es um ihre Identität und spirituelle Sinnerfüllung, zuweilen auch um finanzielle oder materielle Vorteile. Es geht um Vermeidung oder (scheinbare) Lösung von persönlichen Konflikten, um Akzeptanz in einer  Gemeinschaft, um die Möglichkeit von Heirat und sozialem Aufstieg.

Neue Fragen

Eine neue Dramatik gewinnt das Thema vor dem Hintergrund globaler Migration und der begonnenen Neuerfindung Europas. Der Islam ist in Europa unwiderruflich angekommen, genauer gesagt: zurückgekehrt. Damit verändert sich auch die Diskussion über das Verhältnis von Mehrheits- und Minderheitskulturen. Minderheiten sind nicht überall Minderheiten – und Mehrheiten nicht überall Mehrheiten.


Menschen wechseln heute nicht nur zwischen den drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, sie wenden sich auch asiatischen Weisheitslehren oder neuen religiösen Bewegungen zu. Es geht dabei nicht nur um Spiritualität, sondern auch um Beziehungsfragen. Die Gründe für Konversionen sind vielfältig: Familiengründung oder gesellschaftlicher Status, Gruppenidentität oder persönliche Revolte. Wie individuelle und kollektive Religionsfreiheit (also auch das Recht auf Konversion und auf Tradition) miteinander vereinbart werden können, ist abhängig von gesellschaftlicher Macht, von Auseinandersetzungen um ungleich verteilte
Ressourcen und kulturelle Hegemonie, im Wettkampf zwischen – aber auch innerhalb – kultureller und religiöser Traditionsgemeinschaften.

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Treten Sie ein! Treten Sie aus! Warum Menschen ihre Religion wechseln“ führt diese Debatten zurück auf konkrete Akteure und auf die Dimension biografischen Erlebens. Konversion heißt auch, die eigene Biografie in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ zu teilen, und in eine „Passage“, die diesem Übergang zumeist in einem Ritual seine Form gibt. Die Ausstellung folgt dabei Konvertiten auf ihrem Weg von einer Religion zur anderen und beobachtet, ob sich ihre Wünsche und Hoffnungen erfüllten, ob ihre Probleme sich auf diesem Wege lösen ließen oder bestehen blieben.


Die Ausstellung erzählt von Konvertiten und ihren Dramen, quer durch Zeiten und Räume Europas, von  bekannten Persönlichkeiten wie Heinrich Heine oder Gustav Mahler, Nahida Lazarus oder Leopold Weiss, der zu Muhammad Asad wurde. Sie erzählt aber auch von Unbekannten. Deren Erzählungen lenken den Blick auf die
alltägliche und unspektakuläre Dimension des Streitthemas Konversion und seiner Geschichte – vielleicht tragen sie dazu bei, die Debatten auf zivile und produktivere Weise zu führen.

Programm zur Ausstellung

Die Ausstellung wird von einem vielgestaltigen Programm begleitet. In Filmen, Vorträgen, Seminaren, Podiumsdiskussionen und Konzerten wird das Thema in seiner Komplexität beleuchtet und auf seine Bedeutung für unsere gegenwärtige Gesellschaft hin untersucht.  Das detaillierte Programm finden Sie hier.


Öffnungszeiten

23. Oktober bis 24. März 2013, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr

Termine für Führungen durch die Sonderausstellungen finden Sie hier.