Das klingt doch gut, könnte man meinen, wenn man sich die veröffentlichten Zahlen der Statistik Austria zum Thema "Armut und soziale Eingliederung" ansieht. 127.000 Personen, oder 1,8% weniger Menschen sind seit 2008 armutsgefährdet und das Europa-2020-Ziel rückt in greifbare Nähe. Oder? 1.203.000 Menschen sind immer noch armutsgefährdet, warnen Caritas vor einer "rosaroten Brille".

Fakt ist, dass heute 127.000 Personen, oder eben auch 1,8 Prozentpunkte, weniger armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind als im Jahr 2008. Und dass das Europa-2020-Ziel damit zur Hälfte etwa erreicht wäre. Dieses besagt nämlich, dass die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten bis 2020 um mindestens 235.000 Personen verringert sein sollte.  So weit die "gute Nachricht".

Keine Entspannung
Gleichzeitig gelten allerdings 1,572 Mio. Menschen oder 18,8 Prozent der Bevölkerung in Österreich laut jüngsten Zahlen der Statistik Austria als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. "Die Zahl jener Menschen, die in Wien und darüber hinaus in ganz Österreich von Einkommensarmut bzw. Armutsgefährdung betroffen sind, ist konstant hoch", hält Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner den Statistik Austria Zahlen entgegen. "Unsere tägliche Arbeit macht uns sicher: Der Druck an den Rändern der Gesellschaft ist in Wien und darüber hinaus in ganz Österreich spürbar." Von einer Entspannung könne nicht die Rede sein.

Unter der Armutsgrenze
Konkret verwies Schwertner auf jene EU-SILC-Indikatoren, die in Österreich auch von offizieller Seite am häufigsten herangezogen werden. Dabei geht es um jene Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. "Demnach sind in Österreich derzeit 1.203.000 Menschen armutsgefährdet", betonte Schwertner. Diese Zahl sei in etwa ident mit den Zahlen aus dem Jahr davor. Damals wurden im Bericht 1.201.000 Menschen ausgewiesen. In Wien leben heute 393.000 Menschen unterhalb der Armutsgrenze. In Vorarlberg sind immerhin rund 76.000 Personen von der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung betroffen.  In diesem Zusammenhang betonte Schwertner auch die große Anzahl an Menschen, die Angebote der Caritas wie die Obdachloseneinrichtung in Anspruch nehmen müssen.

Armut ist nicht gleich Armut
Außerdem bedeutet Armut nicht gleich Armut. Als armutsgefährdet gelten zum größten Teil Haushalte, deren Nettohaushaltseinkommen weniger als 60 Prozent des Medians aller Einkommen beträgt (unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße; inkl. Kinder). In anderen Worten: Die Armutsgefährdung wird nur im Verhältnis von Einkommen zueinander berechnet. Das Verhältnis von allenfalls sinkenden Reallöhnen zu Lebenshaltungskosten wird nicht abgebildet.

Zahlen im Vergleich - doch gestiegen?
Zudem sieht der Vergleich mit den Werten von 2012 weit weniger gut aus als der Vergleich mit den Zahlen von 2008. Demnach ist die Zahl der Armutsgefährdeten in Österreich innerhalb eines Jahres um 0,3 Prozentpunkte (30.000 Personen) gestiegen. Die Berechnung der Armutsgefährdung gemäß dem Medianeinkommen ist zudem nicht der einzige von der Statistik ausgewiesene Faktor. Es gibt auch die „erhebliche materielle Deprivation“, also die Unterschreitung eines bestimmten Mindestlebensstandards.

Materielle Deprivation
Unter „erheblicher materieller Deprivation“ leiden all jene Personen, die sich gewisse Ausgaben nicht leisten können (etwa jeden zweiten Tag Fleisch oder Fisch zu essen, unerwartete Ausgaben zu tätigen, eine einwöchige Urlaubsreise zu machen oder die Wohnung warm zu halten). Wenn mindestens vier von neun Merkmalen zutreffen, so gilt der Haushalt als materiell depriviert. Davon sind laut den aktuellen Zahlen 4,2 Prozent der Bevölkerung (355.000 Personen) betroffen. Das ist zwar ebenfalls deutlich weniger als 2008, aber um 0,2 Prozentpunkte (20.000 Personen) mehr als im Jahresvergleich.

Konstant hohe Armutslage
„Keine Entspannung“ sieht auch die Armutskonferenz. Wenn einige Indikatoren seit 2008 gesunken seien, bedeute das nur, dass sie auf dem „hohen Niveau von vor der Krise“ lägen. Die Entwicklung seit 2004 zeige „konstant hohe Armutslagen“. „Wachsende Ausgaben in den zentralen Positionen Wohnen, Energie und Ernährung“ machten ebenso zusehends Probleme wie „new social risks“ bei neuen Selbstständigen, prekär Beschäftigten, pflegenden Angehörigen, Behinderten und Migranten. (red/ kathpress/ orf.at)