Zwar sind die Temperaturen noch angenehm, doch: langsam aber sicher kommt der Winter und damit auch Schnee, Nässe und Kälte. Für Menschen, die ein Zuhause haben eigentlich kein Problem, doch was ist mit den Obdachlosen? Empört reagierten NGO´s und die Armutskonferenz diese Woche auf Vertreibung von Obdachlosen aus dem öffentlichem Raum, die für sie mit einer zunehmenden Kriminalisierung von Armut einhergeht. Was tun?

Stein des Anstosses war eine Nacht in dieser Woche, in der die Schlafplätze obdachloser Männer und Frauen von der Polizei im Wiener Stadtpark geräumt wurden. Grund: Anrainerbeschwerden und der Verstoß gegen die Campierverordnung. Rund 25 Obdachlose übernachteten hier regelmäßig auf Parkbänken und schützten sich notdürftig mit Schlafsäcken und Planen vor dem Wetter. Bei den Personen handelt es sich vor allem um nicht anspruchsberechtigte obdachlose EU-Bürger und psychisch kranke Menschen, sagt Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner.

Europaweiter Kurs gegen Obdachlose?
Die Vertreibung löste österreichweit eine Debatte aus, die auch europaweit diskutiert wurde. Schließlich steigt in vielen Ländern Europas, verschärft durch die Wirtschaftskrise, die Zahl der Obdachlosen. Parallel beobachten europäische Sozialverbände mit Sorge, wie viele Städte den Wohnungslosen das Leben erschweren, in dem sie ihre Verordnungen verschärfen. In Ungarn erlaubt ein Ende September verabschiedetes Gesetz Gemeinden zB. künftig die Schaffung "obdachlosenfreier Zonen" und verbannt Wohnungslose von touristischen Plätzen und Straßen. Und auch in Spanien tritt mit Jahresbeginn 2014 die neue "Verordnung über das Zusammenleben im öffentlichen Raum" in Kraft: Strafen von 1500 Euro für Bettelnde mit Kind sowie unerlaubtes Campieren im öffentlichen Raum - was sich nicht nur gegen Obdachlose, sondern auch gegen die Protestbewegung 15-M richtet - werden dann spruchreif.

An einem Strang ziehen
"Beim Thema Obdachlosigkeit müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen", betonte hingegen der Wiener Caritasdirektor Michael Landau. Es sei das gemeinsame Ziel der Stadt, des Fonds Soziales Wien (FSW) und auch von NGOs wie der Caritas, dass kein Mensch unversorgt auf der Straße stehen muss. Landau betonte:"Niemand wünscht sich im Jahr 2013 Zeltstädte in Parkanlagen. Gleichzeitig wünscht sich auch niemand, dass sich obdachlose Menschen aus Angst, vertrieben zu werden, im Gebüsch verstecken müssen."

Kampierverordnung
"Die Kampierverordnung, auf deren rechtlicher Basis die Polizei derzeit obdachlose Menschen aus dem Stadtpark vertreibt, ist in dieser Form menschlich nicht nachvollziehbar." Eine Kampierverordnung, die Obdachlosigkeit de facto verbietet, müsse geändert werden, forderte der Caritasdirektor. Geschaffen sei sie 1985 worden, damit jugendliche Touristen in Jugendherbergen schlafen. Wenn die Polizei diese Verordnung so wie jüngst im Stadtpark anwende, "werden Arme bekämpft, nicht die Armut", so Landau weiter.

Armut an 365 Tagen im Jahr
Die Planungen von FSW, Caritas und anderen Organisationen für den nahen Winter liefen seit Monaten, um jedem Obdachlosen einen warmen Schlafplatz bieten zu können. Die Caritas wisse aus ihrer täglichen Arbeit: Armut und Obdachlosigkeit gibt es an 365 Tagen im Jahr. Für Landau heiße das, dass auch 365 Tage im Jahr entsprechende spezifische Angebote benötigt werden.

Alarmierend
„Alarmierend“ sind auch für die Armutskonferenz die jüngsten Zeichen für eine zunehmende Kriminalisierung Bedürftiger in österreichischen Gemeinden.  „Die Vertreibung von Obdachlosen aus dem öffentlichem Raum auf Basis geltender Kampierregeln, die wie die Wiener Verordnung bereits das ‚Auflegen und Benützen von Schlafsäcken’ verbieten, verschärft soziale Probleme anstatt sie zu lösen“, analysiert Michaela Moser von der Armutskonferenz.

Armut ist kein Verbrechen
„Bei der Empörung über die Verhältnisse in Ungarn darf es nicht bleiben“, appelliert die Armutskonferenz an EntscheidungsträgerInnen in Österreich, „es gilt Grundrechte zu sichern – und das hier wie dort.“ Besonders gefordert seien Bürgermeister/innen und Gemeindepolitik, in deren Verantwortungsbereich viele Verordnungen rund um den Aufenthalt im öffentlichen Raum fallen. „Es muss den Verantwortlichen bewusst werden“, so Moser, „dass Menschen, die unter widrigsten Umständen zu überleben versuchen, nicht zum Ziel des Strafsystems werden dürfen. Armut ist kein Verbrechen. Soziale Herausforderungen sind nicht durch den Einsatz von Polizei sondern durch sozialpolitische Maßnahmen lösbar. Und im Bedarfsfall sollte Vorrang für sozialarbeiterische Intervention gelten“.

Armut fällt nicht vom Himmel
"Armut fällt nicht vom Himmel. Die aktuelle Entwicklung in Europa hat auch etwas mit politischen Entscheidungen zu tun. Zunehmend sichtbare Armut auf den Straßen ist eine Folge europäischer Austeritätspolitik und fehlender Investitionen in den sozialen Ausgleich. EU-Institutionen, nationale Regierungen und lokale Politik müssen zusammenarbeiten, um Grundrechte für alle Menschen zu garantieren, dazu zählen dass Recht auf sichere Unterkunft, adäquate Hygiene und Ernährung, Gesundheitsversorgung und öffentlichen Raum", so die Armutskonferenz abschließend. (red/kathpress/standard/armutskonferenz)