Eigentlich sollte das von der Industriellenvereinigung (IV) präsentierte neue Modell zur Umstellung der Familienförderungen dank mehr Übersichtlichkeit bei den Förderungen und Fokus auf mehr Qualität in der Kinderbetreuung eine Erleichterung für Familien sein. Nun orten Caritas und Katholischer Familienverband aber Nachteile für "tendenziell stärker armutsgefährdete kinderreiche Familien" und betonen: "Mehr Kinder zu haben, darf nicht mehr Armut bedeuten. Das ist die Achillesferse der Familienpolitik".

Familienpolitische Rahmenbedingungen sind entscheidend dafür, wie Kinder in Österreich aufwachsen. Seit Jahren zeigt die Statistik eine deutlich erhöhte Armutsgefährdung bei Alleinerziehenden und Familien mit drei und mehr Kindern. So weit die Fakten. Mit einem neuen Modellkonzept, welches diese Woche präsentiert wurde,  will die Industriellenvereinigung (IV)  die Familienförderungen umstellen und verbessern. "Das vorgestellte neue Modell geht in eine richtige Richtung, vor allem in Hinblick auf Übersichtlichkeit und Qualität in der Kinderbetreuung. Erheblichen Nachbesserungsbedarf sehe ich bei den Kinderreichen und alleinerziehenden Familien", kritisiert Franz Küberl.

Mehrkindfamilien nicht im Fokus
„Klarer und transparenter mag dieser Vorschlag schon sein. Die Mehrkindfamilien und die Alleinverdienerfamilien stehen bei Industriellenvereinigung aber definitiv nicht im Fokus“, sagt Alfred Trendl, Präsident des Katholischen Familienverbandes. Laut dem Modell soll die Familienbeihilfe bis 15 Jahre einheitlich und unabhängig von der Anzahl der Kinder 200 Euro betragen, für Kinder über 15 Jahre 220 Euro.  Es könne aber nicht sein, dass  primär erwerbstätige Familien mit kleinen Kindern profitieren, so Trendl. Schließlich kosten drei, vier oder fünf Kinder überproportional mehr als eines oder zwei. Das enorme Engagement der Eltern von Mehrkindfamilien müsse gesamtgesellschaftlich stärker gewürdigt werden, so Trendl.

Das neue Modell
Kernpunkte des IV-Vorschlags sind ein "Kinderbildungsbonus" als Steuerleistung, der Ausbau der Kinderbetreuung mit Bundesgeldern und die Neugestaltung der Familienbeihilfe. Letztere soll künftig alle Geldleistungen vereinen. Für jedes Kind bis 14 Jahre soll es 200 Euro pro Monat geben, ab 15 Jahre 220 Euro. Zuschläge sind für behinderte Kinder (140 Euro) und Alleinerziehende (50 Euro) vorgesehen.

AchillesferseWeiters sieht das neue Modell ein Plus von 50 Euro für Alleinerziehende zur Familienbeihilfe ohne Berücksichtigung der Anzahl der Kinder vor, was aus Sicht der Caritas, eindeutig zu wenig ist. "Bei Familien mit mehr Kindern wissen wir um eine erhöhte Armutsgefährdung. Mehr Kinder zu haben, darf nicht mehr Armut bedeuten. Das ist die Achillesferse der Familienpolitik", so Franz Küberl.

Mehr Wahlfreiheit
Die Caritas begrüßt, dass Kinderbetreuung nicht nur ausgebaut, sondern in deren Qualität investiert werden soll. Gerade für Kinder unter drei Jahren müssten die Gruppen wesentlich kleiner sein und die Betreuungsschlüssel deutlich verbessert werden.  "Die Wahlfreiheit der Eltern in der Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist mir ein zentrales Anliegen. Eltern - und hier vor allem die Mütter - sollen frei entscheiden können, ob und in welchem Ausmaß sie einer Berufstätigkeit nachgehen wollen. Teilzeitarbeit ist für sehr viele ein Königsweg in der Zusammenführung von familiären und beruflichen Pflichten und Ambitionen. Gleichzeitig wissen wir, dass Teilzeitarbeit oftmals in die Armut führt. Hier braucht es wirksame Ausgleichsmaßnahmen", hält Küberl fest.

Werteverlust der Familienbeihilfe
Eine Inflationsanpassung der aktuellen Familienbeihilfe als wichtigsten Reformschritt fordert hingegen Trendl ein: „Jede Reform und jede Vereinfachung verschleiert auch den Wertverlust der Familienbeihilfe“, so der Präsident der des Katholischen Familienverbandes. Trendl erinnert daran, dass der Grundbetrag der Familienbeihilfe in 20 Jahren lediglich um 10,90 Euro erhöht wurde und der Wertverlust mittlerweile 37 Prozent beträgt.  Trotz aller Vereinfachungen bleibt die Wertanpassung der Familienleistungen der wichtigste Reformschritt: Welchen Wert Familien für die Gesellschaft haben, zeigt sich auch daran, ob Familienleistungen der Inflationsrate angepasst werden. Dies ist derzeit nicht der Fall! (red/Familienverband/Caritas)