Erfolg ist für mich, wenn etwas reich ist an Sinnerfahrung. Für etwas zu arbeiten und auf etwas zu setzen, das wirklich wichtig ist und zählt im Leben. Vor allem das Gefühl, einem Menschen oder einer Sache dienlich sein zu können, ist für mich ganz eng verknüpft mit der Erfahrung von Erfolg und Zufriedenheit. Auch erlebe ich „Erfolg“ meistens bei jenen Tätigkeiten und Ziele, die aus dem Herzen und dem Hinhören auf das Leben geboren wurden. Solche sinnstiftenden Erfolgserfahrungen mache ich sowohl in der Familie als auch im Beruf.

von Eva-Maria Schmolly-Melk

In Anlehnung an ein Kinderlied kann ich sagen: Will ich erfolgreiche Menschen sehn, dann muss ich zu den Kindern gehn. Die Kinder zeigen mir immer wieder aufs Neue, worauf es im Leben ankommt und worin wahrer Erfolg besteht. Für sie ist Erfolg nicht gleichbedeutend mit einem guten Gehalt, einem großen Auto und einer gehobenen Stellung im Berufsleben. Meinen Erfolg als Mutter und Mensch messen sie daran, ob ich geduldig, gütig und zugewandt bin. Ob ich mit ihnen verbündet bin und ihnen mit Respekt und Interesse begegne.

Das freie Spielen, Lachen und Staunen, das Experimentieren, Forschen und Erlernen neuer Fertigkeiten sind die Erfolgserlebnisse der Kinder. An der Tätigkeit an sich erleben sie Lust und Freude. Das ist ihre Genugtuung und ihr Erfolg. Das „um zu“, die Verzweckung von etwas, kennen sie noch nicht. Kooperation ist ihnen in die Wiege gelegt. Den gesellschaftlichen Glauben an den Wert von Wettbewerb und Konkurrenz strafen sie eindrucksvoll Lügen. Denn gerade die Misserfolge, Fehler und Unzulänglichkeiten entpuppen sich als Lehrmeisterinnen, die immer wieder in die Beziehung und zu Veränderung und Neuanfang rufen. Als Mutter bin ich in der Begleitung unserer Kinder erfolgreich, wenn es mir gelingt, achtsam und offen für ihre Bedürfnisse zu sein und für eine Umgebung und Atmosphäre zu sorgen, in der sie sich ihrem Wesen entsprechend entfalten und entwickeln können. Erfolg ist, wenn ich das Wagnis schaffe, viel mehr zu lernen und weniger zu lehren und immer auch persönlich zu wachsen und zu reifen.

In der psychotherapeutischen Arbeit ist es ähnlich. Erfolg in einer Psychotherapie hat viel mit Beziehung, Hören und Einfühlung zu tun. Das ist einer der ganz großen Verdienste Sigmund Freuds, dass er mit der Psychoanalyse der therapeutischen Beziehung und dem Hören einen zentralen Stellenwert eingeräumt hat. Es geht in der Psychoanalyse – entgegen der Logik einer auf Effizienz, Konsum und Leistung ausgerichteten Gesellschaft – nicht um ein schnelles und möglichst schmerzloses Beseitigen dessen, was sich als psychische Störung und Erkrankung zeigt. Sondern der Erfolg einer Behandlung besteht im Hören und Besserverstehen der Botschaft, die hinter den Krankheitssymptomen steht und vom unbewussten Leiden eines Menschen erzählt. Darin ordnen sich die Dinge und geschieht Heilung. Das braucht Zeit, Geduld und Interesse. Als Psychoanalytikerin bin ich nur erfolgreich, wenn ich, um mit dem Strassburger Psychoanalytiker Lucien Israel zu sprechen, bleibend eine „Amateurin“ bin. Im wahrsten Sinne des französischen Wortes: eine Liebhaberin. Die Psychoanalyse ist die Liebhaberei und die Leidenschaft, Menschen im therapeutischen Prozess fragend und bereit für das Neue und Unerwartete ein Stück ihres Weges zu begleiten – durch ihre Ängste, Zwänge und Krisen hindurch – und gemeinsam die unbewussten Wurzeln ihres Handelns, Fühlens und Leidens zu ergründen.

Die Erfahrung von Erfolg ist für mich immer auch verbunden mit der Erfahrung von Dankbarkeit. Wenn ich erfolgreich sein darf, dann ist das ja meistens anderen mitverdankt. Da denke ich beispielsweise an meine Eltern, die meinen Bildungsweg gerade als Frau initiiert und unterstützt haben. Und ich bin dankbar, dass mein Mann und ich eine Arbeitsteilung leben, die auf uns und unsere Wünsche zugeschnitten ist und die wir in aller Freiheit und innerer Unabhängigkeit gegenüber gesellschaftlich vorgegebenen Rollenbildern gewählt haben.