Es gab sie zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Bisweilen gesellschaftlich geschätzt oder zumindest akzeptiert, vielfach jedoch diskriminiert – nicht selten auch kriminalisiert und ausgebeutet: männliche, aber viel öfter noch weibliche Prostituierte, Huren, SexarbeiterInnen. Nachdenkliches zum "Internationalen Hurentag" am 2. Juni.

Im Altertum war Prostitution als Tempelprostitution bekannt – galt als den Göttern wohlgefällig, bisweilen wurden die sexuellen Handlungen sogar als Gotteserfahrungen gedeutet. Die griechische Antike kannte neben den gewöhnlichen Prostituierten (pornai) auch die Hetären, meist sehr gebildete und sozial anerkannte Frauen, die – ähnlich den japanischen Geishas – gegen Geld nicht nur Geschlechtsverkehr, sondern auch gelehrte Gespräche und Unterhaltung gewährten.
In der biblischen Tradition des Alten Testaments wurde Tempelprostitution als Götzendienst untersagt, Erwerbsprostitution war jedoch durchaus übliche Praxis. Mit Tamar und Rahab finden sich sogar zwei als Prostituierte gedeutete Frauen im Stammbaum Jesu.
Auch aus  Jesu Umfeld und Lebenspraxis erzählt das Neue Testament, dass er mit Prostituierten ebenso wie mit anderen gesellschaftlichen Außenseitern respektvoll umging und nicht selten die Scheinheiligkeit jener offenlegte, die meinten, sich moralisierend über diese „Sünder“ erheben zu müssen.

Kurz muten angesichts dieser mehr als dreitausendjährigen Geschichte jene 34 Jahre an, seit denen es nunmehr den Internationalen Hurentag als Gedenktag für die Anliegen und Rechte von Sexarbeiterinnen gibt. Als am 2. Juni 1975 mehr als hundert Prostituierte eine Kirche in Frankreich besetzten,  wollten sie vor allem auf ihre prekäre Situation hinweisen. Heute sind Themen vor allem die rechtliche Anerkennung ihrer Tätigkeit als Arbeit, um von zahlungsunwilligen Kunden das Geld einklagen zu können und sich auch krankenversichern zu können.

Denn noch immer geht die gesellschaftliche Ächtung und Stigmatisierung mit prekären rechtlichen Bedingungen einher. Die zu 60 bis 80% migrantischen Prostituierten sind nicht nur mit großen gesundheitlichen und psychischen Belastungen konfrontiert, sondern auch mit rechtlichen Unsicherheiten. Ganz zu schweigen von jenen Frauen, die auf den illegalen Wegen des Menschenhandels importiert bzw. mit verschiedensten Versprechen in die reichen Länder Westeuropas gelockt und dann zur Prostitution gezwungen und auf menschenverachtendste Weise ausgebeutet werden. Auch ein Gesicht der Globalisierung und der weltweit ungerechten Verteilung des Reichtums. Eine Organisation, die sich in bemerkenswerter Weise für diese Frauen einsetzt, ist SOLWODI (Solidarity with Women in Distress). Die 1985 in Kenia von Sr.Dr.Lea Ackermann gegründete Hilfsorganisation ist inzwischen auch in Europa, vor allem in Deutschland, aktiv, betreibt Beratungsstellen und Schutzwohnungen für ausländische Mädchen und Frauen, die in Not geraten sind: zum Beispiel als Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, als von Zwangsheirat oder Beziehungsgewalt Bedrohte oder aus Zwangsehen geflohene.

Ein eigenes, besonders dunkles Thema ist das der Kinderprostitution: Schätzungen der UNICEF zufolge sind weltweit 3 bis 4 Millionen Kinder von sexueller Ausbeutung im Rahmen von Kinderprostitution betroffen.

Letztlich werden sich wohl auch in diesem Kontext – weit mehr als im Rahmen einer engen sexualmoralischen Fragestellung – die entscheidenden ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Prostitution stellen:  Wie sehr wird eine physische, psychische oder soziale Ohnmachtssituation von Menschen ausgenutzt? Werden Menschen zu Objekten degradiert? Wird menschliche Würde verletzt und beschädigt? Wird ausdrücklicher oder unterschwelliger Druck oder Zwang ausgeübt? Werden Menschen – insbesondere Frauen – stigmatisiert und ausgebeutet, während andere sich in den Mantel der Scheinheiligkeit hüllen?
Dass wir alle nicht davor gefeit sind, andere zu Objekten unserer vielfältigen, nicht nur sexuellen Begehren zu degradieren und dass dies schon im Kleinen anfängt, darauf hat Jesus in seiner Verschärfung des Gebots vom Ehebruch hingewiesen: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat im Herzen bereits Ehebruch mit ihr begangen. Dass diese Gebotsverschärfung jedoch nicht auf skrupulante Selbstbeobachtung zielt, zeigt die Verbindung mit der ebenfalls jesuanischen Warnung vor dem Richten: Letztlich geht es wohl darum, die eigene, unauflösbare Verstrickung in Strukturen den Unrechts zu erkennen. Die daraus resultierende Konsequenz ist eine doppelte: nicht selbstgerecht über andere urteilen und jede Möglichkeit nutzen, Strukturen des Unrechts und der Lebensfeindlichkeit zu beseitigen.