Auch, wenn sie schon irgendwie stolz darauf ist: Vermutlich hätte Monika Hauser den Alternativen Nobelpreis und all die anderen Auszeichnungen lieber nie erhalten – einfach, weil ihr Engagement für Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, nicht notwendig gewesen wäre. Dummerweise ist es das aber – und zwar nicht nur in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Erde, wo patriarchale Strukturen solche Übergriffe zum fürchterlichen Alltag für Frauen machen, sondern auch hier, bei uns im vermeintlich „friedlichen“ Europa. Beim FrauenSalon im Bildungshaus Batschuns gab Hauser, Medizinerin und Gründerin der Frauenrechtsorganisation „medica mondiale“, am Mittwoch einen Einblick in ihre Arbeit.

Am Anfang war die Wut

Sie sei wütend, erklärt Hauser. Sie sei wütend seit 1992, als der Bosnienkrieg seinen Höhepunkt erreichte und Berichte über Massenvergewaltigungen bosnischer Frauen durch Milizen um den Globus gingen. Berichte, die sie, die diesen Frauen helfen wollte, zur Gründerin machten – einfach, weil es keine Hilfsorganisation für Opfer sexualisierter Gewalt gegeben hat. Bis heute ist das Profil von medica mondiale ziemlich einzigartig: Hauser und ihre Mitstreiterinnen unterstützen Opfer in Form von gynäkologischer, psychosozialer und juristischer Begleitung und setzen darüber hinaus  alles daran, diesen Frauen ein eigenes Einkommen zu ermöglichen, das sie selbstständig und unabhängig macht vom goodwill eines Mannes.

Vor der eigenen Haustür kehren

Eine Arbeit, die bis heute nichts an ihrer Virulenz eingebüßt hat, wie Hauser beim FrauenSalon feststellt: Um die unschönen Folgen patriarchaler Strukturen zu erleben, müsse man nicht einmal sonderlich weit fahren. Auch hier, in unserem ach-so-zivilisierten Europa gebe es sie noch – die Orte und Umgebungen, in denen Frauen regelmäßig sexualisierter Gewalt ausgesetzt seien. Zustände, über die nach wie vor lieber geschwiegen wird als sie offen anzugehen. Vor drei Jahren sei die erste Studie zu sexualisierter Gewalt in Europa entstanden. „Unglaublich – vor drei Jahren die erste Studie – zu dem Thema!“ Monika Hausers Empörung ist im Bildungshaus Batschuns mit Händen zu greifen. Kein Wunder angesichts der Ergebnisse: Jede dritte bis vierte Frau in Europa sei in ihrem Leben mindestens einmal sexualisierter Gewalt ausgesetzt – zählen Sie mal durch: Mama, Schwester, Freundin – bäm!

Monika Hauser hält unserer „Friedensgesellschaft“ den Spiegel vor, weil sie glaubt: Nur wenn wir hier bei uns, vor der eigenen Haustür etwas ändern, wird sich auch im großen Ganzen etwas tun.

Gegen die Wand – so lange, bis sie nachgibt

Damit eckt die Gynäkologin immer wieder an – bei Vorgesetzten, politisch Verantwortlichen in der Bundesregierung, im Europäischen Parlament, bei der UN. Gleichzeitig empfangen sie Gleichgesinnte mit offenen Armen. Und diese Gemeinsamkeit, diese (Frauen-)Solidarität stärke enorm, meint Hauser: „Jede Frau, der wir helfen können, der wir eine Perspektive ermöglichen können, ist ein großer Erfolg.“

Sie appelliert an alle, die ins Bildungshaus Batschuns gekommen sind: Tut, was ihr könnt! Macht die Augen auf – und, wenn ihr etwas seht, das so nicht sein sollte – euren Mund. Sprecht es an – prangert es an. „Niemand sonst verändert diese Welt als wir hier in diesem Raum.“ Das sitzt.

Frauen für Frauen

Und Hauser ist noch nicht fertig: Mit einer Diashow steigt sie tiefer ein, erzählt von Juristinnen in Kabul, Ärztinnen, Hebammen, Psychologinnen, und all den anderen, die für medica mondiale überall dort im Einsatz sind, wo es besonders nötig ist. Mit dem Ziel, Frauen ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Ein Leben in Würde. Ein Gedanke, dem man bei Doris Franz‘ Intermezzi am Saxophon – schön und immer auch ein bisschen melancholisch – nachspüren kann – und dem auch Petra Steinmeier-Pösel nachgeht, als sie mit Hauser das offene Gespräch beginnt.

www.medicamondiale.org