"Der schlimmste Fehler von Frauen ist ihr Mangel an Größenwahn" erklärte die deutsche Schriftstellerin Irmtraud Morgner bereits in den 70er Jahren. Doch genau diesen Größenwahn würden Frauen brauchen, um Macht zu erhalten. Stellt sich nur noch die Frage, ob sie das überhaupt möchten. Und wie man das ermöglichen kann. Fragen wie diese waren Thema des neunten FrauenSalons beim Vortrag "Frauen und Macht" von Dr. Caroline Bohn.

„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht", definierte einst der deutsche Soziologe Maximilian Carl Emil Weber "Macht". Aber Macht ist nicht nur negativiert konotiert, erklärt die deutsche Soziologin, Ethikberatierin und systematische Coachin Caroline Bohn . Mit Macht geht auch Verantwortung einher, kann man Einfluss nehmen, hat man Gestaltungsmöglichkeiten und kann Menschen sowie Talente fördern. Kurz: "Nach Macht zu streben ist menschlich, weil sie Freiheit gibt", so Bohn.

Gib ihm Macht!
Gleichzeitig werden mächtige Menschen oft mit Begriffen wie Arroganz, Demütigung, Emotionslosigkeit oder (Gefühls)kälte assoziert. Man geht sprichwörtlich über Leichen. Schon Abraham Lincoln wusste: "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht". Und weil die Macht (und deren Ausübung) so viele Gefühle hervorruft, wird sie zwiespältig gesehen.  "Machtprozesse wirken immer auf uns ein, in allen Systemen, in denen wir leben und arbeiten", erklärt Bohn. Das fängt bei Eltern-Kind-Beziehungen an (haben Sie schon einmal ein tobendes Kind im Supermarkt erlebt?), geht über Partnerschaften und Freundschaften bis hin zum Berufsleben. 

Machtinstrumente
Um die eigenen Wünsche und den Willen durchzusetzen gibt es viele Möglichkeiten, weiß Bohn: Drohen, lügen, schweigen, ignorieren, uns verweigern, sich entziehen, verführen, argumentieren, abwarten, ausweichen, Informationen zurückhalten ... das alles sind Machtinstrumente, die wir kennen und nutzen. Und zwar alle. Je nach Situation und persönlicher Vorliebe werden diese "Waffen" eingesetzt. Schließlich ist keiner machtlos. "Macht wächst, wenn Vertrauen geschenkt wird", erklärt Bohn, warum man die Macht der Gefühle nicht unterschätzen darf. Das wussten schon die damaligen Feldherren, die darauf gedrillt wurden ihre eigenen Gefühle nicht offen zu zeigen.

Machtdemonstration
Denn: Macht äußert sich in verschiedener Weise. In physischer Überlegenheit z.B. die im Missbrauch gipfeln kann. In Beschämung, in der das Innere, unser Kern, unsere Persönlichkeit verwundet wird und die uns damit bei der Würde "packt" - übrigens eine Strategie, um andere abzuwerten und sich selbst zu erhöhen. Aber auch Besitztümer, sogenannte Statussymbole, dienen der Machtdemonstration und können zu Ausgrenzung oder Isolation führen. "Begegnungen mit Macht", so Bohn, lassen uns nie unberührt und greifen immer in unsere Gefühlswelt ein.

Warum die Schaniere vor Frauen zuklappen
Doch warum ist es für Frauen so schwer in diese machtvollen Positionen zu gelangen? Weil es innere Zirkel der Macht gibt und Mechanismen, die Frauen von der Macht ausschließen, so Bohn. Und das hat mit unserer Sozialisation zu tun. Jungen (er)lernen nämlich früh ein konkurrierendes Verhalten, bei dem es um den Rang in der Gruppe und die Anerkennung inselbiger geht. Mädchen hingegen werden harmonisierend sozialisiert und kommen mit diesem Konkurrenzverhalten eher selten in Berührung. Deshalb nehmen Männer die Karriere als reizvolles Spiel und Wettbewerb wahr, in der Frauen keine ernsthaften Gegner sind. Nähern sich Frauen aber doch einmal dieser Macht, verbünden sich die Männer und "die Schaniere schnappen zu", erklärt die Soziologin, warum Frauen der Zugang zu diesem inneren Zirkel verweigert wird.

Was Sozialisierung alles ausmacht
Ein weiteres Problem unserer Sozialisierung: Männer streben hohes Ansehen, Status, Rang und viel Geld an - Frauen "wollen gemocht werden" und suchen eine interessante und sinnstiftende Arbeit. Sie stellen einen hohen Perfektionsanspruch an sich selbst, der oft nicht erreicht werden kann. Geht dann etwas schief, reagieren Männer mit einer spezifischen Selbstzuschreibung, in der der Schwerpunkt auf dem Verhalten liegt. In einem Satz: "Ok, die Sache ist nicht gut gelaufen". Frauen hingegen reagieren mit einer globalen Selbstzuschreibung und setzen den Schwerpunkt auf sich selbst. Kurz: Sie fühlen sich persönlich verantwortlich und haben das Gefühl versagt zu haben.

Dieser vernichtende Perfektionsanspruch an sich selbst wird für Frauen im übrigen auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Dilemma: Bleiben sie zu Hause, sind sie "Heimchen". Gehen sie (bald) wieder arbeiten, sind sie herzlose Karrierefrauen und Rabenmütter. Eine Bewertung, die von der Gesellschaft geprägt wird, für die aber scheinbar noch keine Lösung in Sicht ist. Frauen haben meist ein Abgrenzungsproblem, so Bohn, dabei sollte es eigentlich heißen: "Gut reicht auch".

Die Sache mit den Männerbünden
Auch einen Exkurs in die Geschichte wagte Caroline Bohn und erklärte, was es mit den  Machtprozessen  in (nach wie vor) männerbündischen Strukturen auf sich hat. Damals, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten die Männer plötzlich einen schweren Stand. Die Industrialisierung und der Siegeszug der Technik stellte ihre männliche Arbeitskraft in Frage und machte sie fast obsolet. Gleichzeitig entstand das Bild der neuen Frau, die "sportlich, ehrgeizig und intellektuell" ist, so Bohn. Eingeschüchtert von der neuen Arbeitswelt versuchten die Männer sich in die Geborgenheit der Familie zu flüchten, die nicht mehr das war, was sie einst war.  Bedroht und verunsichert weil ihre traditionelle Männlichkeit aus den Fugen geraten war, bildeten sie Clubs und Männerbündnisse, wo eine eigene Wertestruktur herrschte und sie sein durften, was sie waren: Männer. 

Wenn man diese Männerbündnisse auf die Managerebene überträgt, bedeutet das, dass Männer Frauen ausgrenzen, weil ihr Rückzugsort bedroht ist. Das geschieht vielleicht unbewusst, aber das Ergebnis ist immer das gleiche: Die Schaniere schnappen zu, erklärt die Soziologin. Diese Ausgrenzung betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer, die nicht in dieses Bild passen - Homosexuelle oder "neue" Männer,  die  z.B. in Karenz gehen.  "Diese Strukturen sitzen tief und fest und dienen der Machtmaximierung, der Fixierung und Sicherheit", so Bohn.

Was also tun?
Zunächst müssen Frauen dieses "Spiel" durchschauen, Machtprozesse durchleuchten und verstehen. Und dann überlegen: Wollen wir es unterlaufen oder mitspielen? "Frauen dürfen diesen Bund nicht stabilisieren", mahnt Bohn. Das heißt z.B. einen unangemessenen, vielleicht auch sexistischen Satz nicht "wegzulächeln", sondern darauf hinzuweisen. Frauen brauchen Machtbündnisse, wobei das Ziel ein gelungenes Miteinander sein sollte, um diesem Machtwiderstand zu entgehen. Strategien müssen verinnerlicht werden, um diese Bemächtigungsversuche zu unterbinden. Frauen sollen eine aktive Rolle einnehmen und selber entscheiden ob und wie sie reagieren möchten. Und jeder muss sich bewusst werden, welche Machtmittel ihm oder ihr zur Verfügung stehen und eingesetzt werden.  Wie viel Macht man haben will. Und dann, so Bohm, gilt es noch mutig und tapfer zu sein.