von Petra Steinmair-Pösel

Bedenkenswert ist das unlängst veröffentlichte Diskussionspapier eines interreligiösen weiblichen Think Tanks (www.interrelthinktank.ch). Die Autorinnen, Expertinnen aus Judentum, Christentum und Islam, setzen sich für eine differenziertere Debatte um Religion und Frauenrechte ein. Allzu schnell wird heute Religion mit Frauendiskriminierung und Unaufgeklärtheit gleichgesetzt. Das werde jedoch den religiösen Traditionen ebenso wenig gerecht wie deren Vereinnahmung durch patriarchale Definitionsmacht, sind die religiösen Feministinnen überzeugt.

Sie selbst sehen im Kern aller Religionen das tiefe Wissen um die Unverfügbarkeit der letzten Wahrheit, des Göttlichen. In diesem Sinn könne niemand die letzte Wahrheit wie einen Besitz für sich beanspruchen. Gerade dieses Wissen habe Frauen immer wieder ermutigt, gegen (religiös verbrämte) Diskriminierung und Gewalt zu kämpfen. In diesem Sinn schließe Religiosität die Liebe zur eigenen Tradition ein, verbiete aber jede Abwertung der anderen und berge gerade damit ein großes Befreiungspotential.

Ohne bestehende strukturelle Benachteiligungen von Frauen in religiösen Gemeinschaften zu übersehen, zeigen die Autorinnen auf, was sonst gern vergessen wird: Beispielsweise dass es zwischen den Religionen und ihren oft patriarchal-geprägten Erscheinungsformen zu unterscheiden gilt. Oder wie sehr das Stereotyp von der unterdrückten muslimischen Frau auch missbraucht werden kann, um Gleichstellungsdefizite in der „Leitkultur“ zu verschleiern und Islamophobie zu schüren.