Wie jedes Jahr, wenn mit viel Aufwand Muttertag gefeiert wird - beschleicht mich ein seltsamer Verdacht: Wird hier nicht mit viel Energie und Sentimentalität verdeckt, dass uns gesellschaftlich etwas fehlt? von Petra Steinmair-Pösel

Wenig mütterfreundlich

Blumen, Geschenke, Muttertagstorte. Schon seit Wochen sagt uns die Werbung, was wir tun müssen, um unsere Mütter glücklich zu machen. Zumindest einen Tag lang. Denn wir leben in einer Gesellschaft, die insgesamt wenig kinder- und damit auch mütterfreundlich ist. (Väterfreundlich ist sie schon gar nicht). Immer weniger Frauen erscheint es möglich oder wünschenswert, Mutter zu sein. Wenig hilft da die Klage über die damit verbundenen demographischen Veränderungen. Nicht hilfreich sind auch darauf fußende Appelle an Frauen, doch wieder mehr Kinder zu bekommen. Zu Recht fühlen sich Frauen durch eine solche Argumentation funktionalisiert und zusätzlich unter Druck gesetzt. Die Kinderunfreundlichkeit der Kultur wird den Frauen als einzelnen Personen aufgelastet.

Unter Druck

Denn der Druck auf Frauen, die sich fürs Muttersein entscheiden, ist in den letzten Jahren trotz vieler Fortschritte nicht geringer geworden. Das fängt bei Ratgebern über Kinderpflege und –erziehung an, die inhaltlich widersprüchlich, aber umso verbissener ihre jeweiligen Tipps als unantastbare Heilswahrheiten verkaufen, und hört beim Balanceakt zwischen Beruf und Familie noch längst nicht auf.

Mütterliche Menschen

Was wir brauchen, ist eine neue Wertschätzung der „Mütterlichkeit“ – jener Qualitäten, die traditionell bei Frauen beheimatet waren, aber von Männern zu ihrem eigenen Wohl und zum Wohl unserer Gesellschaft genauso kultiviert werden können und müssen: Fürsorglichkeit, d.h. die Sorge um das Lebensdienliche; eine Form der Autorität, die nicht klein hält, sondern Lebens- und Wachstumsräume eröffnet; ein ausgereiftes Selbst(wert)gefühl, das Voraussetzung für echte Einfühlsamkeit darstellt. In diesem Sinn wahrhaft mütterliche Menschen zu werden ist die Einladung des Muttertags an alle – damit Leben aufblühen kann ringsum.