von Petra Steinmair-Pösel. Nach außen hin strenge moralische Prinzipien verkünden und die Augen vor den Problemen in den eigenen Reihen verschließen - eine (Außen-)Wahrnehmung, mit der unsere Kirche in diesen Tagen leider allzu oft konfrontiert ist. Urteile sind rasch gefällt, auf beiden Seiten. Die jesuanische Warnung vor dem Richten und (Ver-)Urteilen könnte hilfreich sein - ebenso wie eine weiblich geprägte Moral.

Doppelmoral wird unserer Kirche in diesen Tagen bisweilen vorgeworfen. Und auch Altabt Kassian Lauterer fragte unlängst bei einer Predigt selbstkritisch, ob wir als Kirche heute nicht ähnlich handeln wie jene Pharisäer, von denen Jesus sagt: Sie legen den Menschen schwere Lasten auf die Schultern, sind aber nicht bereit, selbst diese Lasten (mit-)zutragen (Mt 23,4). In der Öffentlichkeit werden die moralischen Prinzipien der Kirche nicht selten als erbarmungslos und zu wenig menschenfreundlich wahrgenommen. Und in der Folge werden auch Fehler und die manchmal prekäre Lage kirchlicher Amtsträger erbarmungslos ins mediale Licht gezerrt.

Weibliche und männliche Zugänge zur Moral

In dieser Situation könnte für unsere Kirche ein Quantum weiblicher Moral heilsam wirken. Während eine männlich geprägte (und in unserer Kirche vorherrschende) Moral vor allem auf Allgemeingültigkeit ausgerichtet und eher abstrakt auf Gerechtigkeit zentriert ist, brächte eine weiblich geprägte Moral neue Qualitäten ein: Sie ist an Beziehung orientiert und schätzt selbst Fragmente des Lebens. Als Kirche würden wir einen barmherzigen Stil im Umgang mit Fehlern und Scheitern pflegen. Ohne das Ideal leichtfertig über Bord zu werfen, ginge es uns doch weniger um das strikte Einhalten von Normen, als darum, in der jeweiligen Situation das für alle Lebensdienliche zu finden.

Mehr Erbarmen gegenüber einer barmherzige Kirche

Eine solche barmherzige Kirche, in der männlich und weiblich geprägte Moral sich gegenseitig ergänzen und bereichern, dürfte wohl auf mehr Erbarmen hoffen, wo sie selbst Fehler begeht. In genau diesem Sinne brauchen wir sie not-wenig: eine echte Doppel-Moral!