von Petra Steinmair-Pösel

Mit überwältigender Mehrheit ist vergangene Woche Margot Käßmann, die bekannte evangelische Bischöfin aus Hannover, zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden. Die 51-Jährige repräsentiert mit der Übernahme dieses Amtes für die nächsten sechs Jahre 25 Millionen ProtestantInnen in Deutschland. Obwohl von Anfang an als beste Kandidatin favorisiert, gab es Vorbehalte gegen die Wahl der Mutter von vier Töchtern: vor zwei Jahren war ihre Ehe zu Bruch gegangen. Doch die Kirchenoberen ließen sich davon nicht beirren und vertrauten das höchste Amt erstmals einer Frau an.

Könnten Sie sich das vorstellen: Eine Bischöfin an der Spitze der österreichischen Kirche? Eine Frau und noch dazu eine geschiedene. Für den katholisch geschulten Geist erscheint das zunächst als gewaltige Provokation, die gleich zwei Tabubrüche beinhaltet. Auch wenn die Vorstellung nicht realistisch ist, vielleicht nicht einmal wünschenswert oder zulässig: Wagen Sie ein kurzes Gedankenexperiment mit offenem Ausgang.

Würde sich etwas an Ihrem Kirchenbild ändern? Würde die Kirche barmherziger, lebensnäher, offener erscheinen, oder verlöre sie in der öffentlichen Wahrnehmung an moralischer Kompetenz, Orientierungskraft und Sicherheit? Würde oder müsste sich in der Kirche selbst etwas verändern – zum Beispiel in Bezug auf Amtsverständnis und Leitungskultur, auf Reinheitsvorstellungen und alltägliche Glaubenspraxis? Vielleicht sogar das Gottesbild? Die letzte Frage ist wohl die spannendste!