von Petra Steinmair-Pösel

In den vergangenen Tagen wurde medial noch einmal berichtet, was viele von uns bereits gewusst oder geahnt hatten: 2010 haben sehr viele Menschen, Frauen wie Männer, der Kirche den Rücken gekehrt. Dabei war es – unter einer bestimmen Perspektive betrachtet – ein gutes Jahr für die Kirche: Ans Licht kamen Missbrauch und Verletzungen, die zuvor (aus Hilflosigkeit, Überforderung oder Fahrlässigkeit) verdrängt worden waren.

Freilich, der Optik hat das geschadet. Aber geht man davon aus, dass wir die Geschichte nicht zurück drehen können und Unrecht bereits geschehen ist, ist es hilfreich, dass dieses aufgedeckt wurde. Denn nur so können Fehler aufgearbeitet werden und Heilung geschehen. „Die Wahrheit wird euch frei machen ...“, zitierte immer wieder (er)mutig(end) Kardinal Schönborn und setzte damit ein wichtiges Signal für eine Kirchenentwicklung, die drängende Fragen und Probleme angeht statt verdrängt. Auch wenn das für manche leider zu spät kam oder gar nicht mehr als solches wahrgenommen wurde, ist es doch ein Zeichen dafür, dass in der Kirche Tradition und Revolution in kreativer Spannung stehen.

Zugegeben: Auch ich könnte manchmal etwas mehr Revolution vertragen. Umso mehr schmerzt, wenn genau jene gehen, die Erneuerung wünschen. Auch wenn jeder Austritt mit Respekt vor der einzelnen Gewissensentscheidung einfach an- und ernstzunehmen ist: Aus der Kirche auszutreten, weil frau/mann „aggiornamento“ (Verheutigung) wünscht, schwächt genau jene Kräfte und Personen, die dafür eintreten.