Ja, es war ein schweres, ein sehr persönliches Thema, das sich die Organisatorinnen für den 15. FrauenSalon ausgesucht hatten. Neues Leben, das auf die Welt kommt und manchmal gleich wieder gehen muss. Dass der Abend aber nicht schwermütig, sondern berührend und manchmal von Gelächter gekrönt war, dafür sorgten die Hebamme Susanne Haunold Sam und die Sterbeamme Uli Michel.

Wenn man Susanne Haunold Sam zuhört, wie sie von ihren ersten Schritte als Hebammenschülerin vor über 40 Jahren erzählt, wundert es einen, dass sie damals nicht sofort aufgegeben hat. Drei Betten im Kreißsaal, keine Privatsphäre, die Mütter durften die Kinder nur zum Stillen sehen, die Väter trennte eine Glasscheibe von ihrem Kind - "wo ist das Glück" habe sie sich damals gefragt. Noch schockierender war ihre erste Begegnung mit einem Neugeborenen, das als nicht lebensfähig galt und deshalb fernab der Mutter auf einem Reanimationstisch zurückgelassen wurde.

Zeit und Empathie vs. Überforderung und Dokumentation

Seither habe sich viel getan. Mit dem französischen Gynäkologen Frédérick Leboyer zog die "sanfte Geburt" und damit auch die Menschlichkeit in die Geburtshilfe ein. Denn natürlich sei die Geburt nicht primär ein medizinisches Ereignis, betont die Hebamme. Ein guter Start ins Leben sei wichtig - für die Familie, die Gesellschaft, die Resilienz - und begleite uns das ganze Leben. Dennoch könne man von einem äquivalenten Personalschlüssel nur träumen, kritisiert Haunold Sam die hohe Arbeitsanforderung an die Hebammen, der mit Zeitmangel und viel Dokumentation einhergehe. Hebammen dürfen und sollen sich vom Wunder der Geburt berühren lassen - so Haunold Sam. Und die ist bei jeder Frau anders. Sie müssen einen geschützen Raum schaffen, in dem Empathie, Respekt, Liebe, Zeit und Raum ihren Platz haben.

Eine Sterbeamme erzählt

Besonders schwierig wird es, wenn  der erste Schrei des Kindes ausbleibt oder es nach weniger Zeit verstirbt. Dann stehen nicht nur die Eltern, sondern oftmals auch das Fachpersonal hilflos da, erzählt Uli Michel aus ihrem Arbeitsalltag. 18 Jahre war sie als Hebamme in Deutschland tätig, bevor sie den Schritt ans andere Lebensende wagte. Sie wurde "Sterbeamme" und begleitet  Frauen und Paare nach Fehl- und Totgeburten. "Ich sehe mich als Amme für Lebensübergänge, als eine Art Schwellenhüterin zwischen dem Lebensanfang und dem Lebensende", so Michel.

Beraten, begleiten und zuhören

Konkret bedeutet das für sie: beraten, begleiten und zuhören. In Kursen führt sie Frauen zusammen, die ein ähnliches Schicksal teilen und gibt der Trauer einen Raum. "Ich versuche viel zu hören und zu spüren, damit die Frauen ihre nächsten Schritte selber machen können", so die Sterbeamme. Der Zeitpunkt, an dem sich Frauen die an sie wenden, ist ganz unterschiedlich. Manche haben ihr Kind erst vor kurzem verloren, andere denken über einen Schwangerschaftsabbruch nach und wiederum andere haben den Verlust vor über 15 Jahren erlitten und können sich erst jetzt damit auseinandersetzen. Für die Frauen sei es wichtig, jemandem zu haben mit dem sie reden können - und das können durchaus Frauen sein, die dasselbe erlebt haben.

Wir können nichts mehr für Sie tun

Viele würden sich nach dem Verlust verschließen und "nur noch funktionieren". "Aber die Sehnsucht und das Loch ist riesig.". Allein der Satz "Wir können nichts mehr für Sie tun" verschließe oft Türen, die nicht mehr geöffnet werden können. Die Folge: Alpträume, Tränen, Suizidgedanken. Die Frauen (und Männer) sind von der Trauer abgeschnitten, weil sie vergessen möchten und finden keinen Kontakt mehr zu ihrem Kind und den eigenen Gefühlen, spricht Michel aus Erfahrung. Man dürfe auch nicht vergessen, dass nicht nur die Eltern, sondern die ganze Familie ein Kind verliere, betont die Sterbeamme wie wichtig es ist, dass auch die Großeltern,  Geschwister und Freunde vom Kind persönlich Abschied nehmen. Indem sie es halten, mit persönlichen Ritualen oder einer Abschiedsfeier.

Würdevolles Sterben am Lebensanfang

Dennoch oder vielleicht auch deshalb betont die Sterbeamme die positiven Seiten ihrer Arbeit. "Ich höre viel Schweres, aber ich sehe auch, was sich daraus entwickeln kann", zählt Michel auf: Chance und Reichtum, neue Tiefe, die Stärkung der Herzenskräfte. Wichtig sei nicht nur ein würdevolles Sterben im Alter, sondern auch am Lebensanfang. Eine besondere Rolle komme hier der Schulung des Fachpersonals zu, das oft hilflos sei und nicht die richtigen Worte finden könne.