Beim Ethikforum 2011 im Theater Kosmos in Bregenz sprachen und diskutierten Experten zum Thema Gerechtigkeit und stellten sich die Frage "Was ist gerecht"? Gerechtigkeit ist Richtigkeit, formulierte es der Wirtschaftsethiker Dr. Ulrich Thielemann ganz salopp. "Es geht ums Ganze, um Rechte und legitime Ansprüche, aber auch Pflichten diese Rechte zu achten".

Auch die Philosophin MA Marit Rullmann beschäftigt sich mit Themen der Gerechtigkeit, allerdings vertritt sie die Meinung, dass mehr Frauen auch für mehr Gerechtigkeit sorgen würden. Dr. Gabriele Strele gab Einblick in ihre Arbeit als Landesvolksanwältin, bei der sie für Gerechtigkeit zwischen Bürger/innen und Staat sorgt. Und meint: Das Gerechtigkeitsgefühl ist manchmal schon subjektiv.

Eine Sache der Beziehungen
Einen ganzen Tag lang beschäftigen sich nicht nur Experten, sondern auch rund 200 Laien und Persönlichkeiten aus Vorarlberg und aus dem Ausland mit einem Thema: Gerechtigkeit. Die Tagung solle "uns" auf dem Gebiet der Empathie weiterbringen, führte Pastoralamtsleiter Walter Schmolly kurz in das Thema ein. "Ethik ist zunächst eine Sache des Kopfes", so Schmolly, "und Gerechtigkeit Sache der Beziehungen."

Guter Markt, schlechter Markt
Mit einer kritischen Analyse zur Logik unseres Wirtschaftssystems von Dr. Thielemann wurde das Ethikforum eröffnet. "Nur ein begrenzter Markt ist ein guter Markt", und die Wirtschaftsethik beschäftige sich nicht nur mit der Ethik in der Wirtschaft, sondern auch mit ethischer Reflexion und der Beurteilung des Wirtschaftens im Ganzen. Schließlich gehe es bei der Gerechtigkeit um das Ganze, "um Rechte und legitime Ansprüche, aber auch Pflichten diese Rechte zu achten". Markt sei nichts anderes als Kauf und Verkauf, kurz auch Tausch genannt. In einem ideal freien Markt könne man niemanden zwingen, das Problem beim Markt sei aber das "win-win". Die Frage sei, ob die Tauschgewinne und Lasten der Erzeugung der Wertschöfpung auch fair verteilt seien oder ob eine Seit ausgenutzt werde.

Robinson und die Inseln
"Die Freiheit des Einen findet ihre Grenze an der Freiheit des Anderen", zitierte Thielemann. Insofern gebe es drei Dimensionen der Gerechtigkeit: eine negative, eine positive und die Fairness. Der Wirtschaftsethiker zeichnet ein Bild einer Robinson-Gesellschaft: Natürlich würden wir unsere eigene Insel verlassen um Menschen auf einer anderen Insel zu helfen, aber sobald diese wieder auf eigenen Beinen stehen können, "sind wir ganz schnell wieder auf unserer eigenen Insel." Menschen haben immer schon zusammengelebt, so Thielemann, und sie sind auch existentiell ökonomisch auf einander angewiesen. Einkommen sind niemals privat, resümmierte er.

Obama ist ja auch Präsident geworden
"Mehr Frauen könnten für mehr Gerechtigkeit sorgen" - mit dieser Aussage startete die Philosophin Marit Rullmann ihren Vortrag zum Thema "Gerechtigkeit und Geschlecht". Märkte zwingen, bestimmen und entlohnen und sie sind das goldene Kalb des Neoliberalismus. Gerechtigkeit werde jetzt anders definiert als früher, Ungerechtigkeit hingenommen. Bestimmte Schichten und Bevölkerungsgruppen seien von der Gesellschaft wenig anerkannt und von Ungerechtigkeit meist öfters betroffen. Als Beispiele führte sie Schwarze in Amerika und Frauen im Abendland. Aber: Obama ist ja auch Präsident geworden, so Rullmann. Frauen werden nach wie vor diskriminiert - sowohl im Beruf (wie viele Bürgermeisterinnen gibt es in Vorarlberg?) als auch in der Familie. Gerecht wäre, wenn eine Frau, die ihren Mann während seines Studiums untersützt hat, auch nach der Scheidung Anteil an dessen Einkommen bekommen würde, führte sie praxisnahe Beispiele heran.

Das Ernstnehmen der Anliegen der Bürger/innen ist mir eine Herzensangelegenheit
Täglichen Kontakt mit Gerechtigkeit hat Dr. Gabriele Strele in ihrem Beruf als Landesvolksanwältin. In einem Erfahrungsbericht gab sie Einblick in die Konflikte zwischen Bürger/innen und Staat. So kontrolliert sie die Landesbehörden, schafft eine Gesprächsbasis zwischen Bürger/innen und Behörde und vermittelt in dieser Funktion. "Manche fühlen sich subjektiv einfach ungerecht behandelt", so Strele, "auch wenn die Behörde richtig gehandelt hat". Dann ist es an ihr sich den Fall genau anzusehen, mit Bürger/innen zu sprechen und die Beschwerden auch an die richtige Stellen weiterzuleiten. "Das Ernstnehmen der Anliegen der Bürger/innen ist mir eine Herzensangelegenheit", ermuntere sie das Publikum. Und rief im nächsten Atemzug auf sich genau zu überlegen welche/n Politiker/in an wählt, Volkabstimmungen zu nutzen und auf Transparenz seitens der Politik zu pochen.

Im Anschluss an die Vorträge, boten die Expert/innen im Rahmen von Workshops Zeit und Raum sich mit den jeweiligen Gerechtigkeitsthemen tiefer zu beschäftigen und scheuten auch keine Fragen. Auch nicht kritische.