Rund 400 Menschen trafen sich gestern zum 4. Ethikforum. Sie suchten nach Möglichkeiten, wie es denn gehen könnte, das gute und richtige Leben, das faire Leben. Impulse zum Nach- und Weiterdenken gab es dabei nicht nur von den beiden Referentinnen, Claudia Langer und Hille Haker. Ebenso zeigten zahlreiche Gruppen und Institutionen aus Vorarlberg lebbare Alternativen.

Sehr lebendig geht es zu beim Ethikforum im Dornbirner Kulturhaus. Von der Pensionistin bis zum Schüler, vom Unternehmer bis zur Hausfrau, von Vertreter/innen der Politik bis zu öko-sozial Engagierten – so bunt zeigt sich die Mischung der Gäste. Jede und jeder bringt eigene Fragen und Zugänge zum Thema mit.

So auch die beiden Referentinnen. Moderator Thomas Matt stellt sie zu Beginn ihres Vortrages vor. Dabei zeigt sich, dass ihre Biografie eng mit ihrem Engagement für das gute und richtige Leben verbunden ist, dass das Thema nicht irgendwo abgehandelt werden kann, sondern die ganze Person in all ihren Dimensionen und Lebensbereichen betrifft.

Utopie und Realität

Claudia Langer beleuchtet in ihrem Vortrag auf sehr kurzweilige und lebendige Art und Weise das Spannungsfeld zwischen Utopie und Realität. Drei Hoffnungen nennt sie, die im Verlaufe ihres Engagements zur Utopie mutiert sind: Einmal die Hoffnung, dass KonsumentInnen bei ausreichender Information das gute Produkt wählen würden. Trotz großer Anstrengungen blieben ethische KomsumentInnen nur eine Minderheit. Weiters hat sie gehofft, dass KonsumentInnen ihrer Einstellung entsprechend kaufen. Es hat sich aber herausgestellt, dass sich die Einstellung beim Preisvergleich am Regal verändert. Zum dritten hat sie Hoffnungen in die Politik gelegt. Nachhaltige Entscheidungen muten den WählerInnen jedoch etwas zu – und das mögen die WählerInnen nicht. Also entscheiden sich PolitikerInnen nicht für Nachhaltiges.

Die Erwachsenen-Generation

In ihrem Buch „Die Generation MAN MÜSSTE MAL“ macht Langer selbstkritisch ihrem Frust über ihre eigene Generation Luft. Auch bei ihrem Vortrag kommt diese nicht gut weg. Als „dumpf und doof“ bezeichnet sie ihre Zeitgenossen, als „unglaubliche Verdränger, die Bärenkräfte entwickeln, um nicht hinschauen zu müssen.“ Und an die 150 SchülerInnen im Saal appelliert sie: „Ihr könnt nicht mit uns rechnen. Wir leben auf Eure Kosten. Wir werden nichts tun, solange ihr nicht Druck macht.“

„Wir sind die Wirtschaft. Wir sind Teil des politischen Systems.“

Wie ein solches Tun ganz konkret aussehen kann, darauf gibt Langer im letzten Teil ihres Vortrages und im anschließenden Gespräch Antwort. Sie setzt bei der Verantwortung der VerbraucherInnen an. Diese endet aber nicht beim Kauf von Produkten. Vielmehr muss sie bzw. er am wirtschaftlichen und politischen Geschehen aktiv teilnehmen. Sei es in Form von Briefen an Vorstandsmitglieder eines Unternehmens oder als aktives Parteimitglied, als TeilnehmerIn an einer Demonstration oder als WählerIn. Der bzw. die Einzelne wird klar in seine Verantwortung genommen.

Responsorische Ethik

Um Verantwortung geht es auch bei den Ausführungen zur responsorischen Ethik der Sozialethikerin Hille Haker. Sie beginnt mit der Klärung ethischer Grundbegriffe. Drei Säulen sind es, die das Handeln beeinflussen und in einer ständigen Auseinandersetzung stehen: wollen, sollen und können. Sie plädiert dafür, das Wollen verstärkt in die Entscheidungsprozesse hereinzuholen. Im Wollen steckt die Motivation für das Handeln, dort sind die Wünsche angesiedelt, dort ist das Herz.

Haker spricht von „moralischer Intuition“, die notwendig aber nicht ausreichend ist. Das Gefühl „etwas stimmt nicht“ bzw. „so könnte es gehen“ reicht nicht aus zur Beurteilung eines Sachverhaltes und zum Treffen einer Entscheidung. Haker fordert auf, Dinge genauestens zu betrachten: erkennen, verstehen, analysieren. Erst dann kommt das Handeln.

Die Aufgabe der Theologie sieht Haker darin, den Kairos zu erkennen und den Schritt ins konkrete Tun zu gehen. Zudem kommt der Theologie die Verantwortung zu, die Hoffnung lebendig zu halten, die aus der Zusage des Reiches Gottes kommt.

Marktplatz der Initiativen

Nach den Vorträgen wird es dann konkret. Gleich zwölf Vorarlberger Initiativen zeigen Möglichkeiten, die einen alternativen Lebensstil schaffen können. Sie umfassen öko-sozialen Konsum, Mobilität, Solidarität und Wirtschaft. Infomaterialien und persönliche Gespräch geben Aufschluss über Ziele und Organisation, über Vision und Realität.

Lerncafés

Im Anschluss an den Marktplatz sind die TeilnehmerInnen eingeladen, in Lerncafés konkreten Fragen intensiver nachzugehen. Hier gibt es die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und Visionen zu entwerfen. Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen werden in einem letzten Plenum allen vorgestellt. Dabei wird die Komplexität des Themas ersichtlich. Es zeigt sich aber auch, dass das gute und richtige Leben vielen ein Herzensanliegen ist. Und dass wir die Freiheit haben, das Gute und Richtige zu wählen.