Therapie und Reproduktion: Die ethischen Bedenken zum Klonen von Menschen


Menschliche Embryonen: Schützenswertes Gut
Ein menschlicher Embryo, welcher in geeigneter Umgebung das Potential hat, sich von selbst immer weiter bis zum erwachsenen Menschen zu entwickeln, ist aus ethischer Sicht ein besonders schützenswertes Gut. Jeder und jede von uns war einst in seiner/ihrer Entwicklung im Stadium eines Embryos. Es gibt gute ethische Gründe, bereits zum frühest möglichen Zeitpunkt nach der Befruchtung von Ei- und Samenzelle davon auszugehen, dass dabei ein neuer Mensch geschaffen worden ist. Moralisch ist diesem winzigen neuen Lebewesen daher die größt mögliche Schutzwürdigkeit zu gewähren.

Ein Embryo - mehrere "Herstellungsmethoden"...
Nun ist der herkömmliche Weg der Befruchtung von Ei- und Samenzelle mittlerweile bei weitem nicht mehr die einzige Möglichkeit, einen menschlichen Embryo zu erzeugen. Zum einen wird intensiv an der sog. "Reprogrammierung" von Zellen gearbeitet. Herkömmliche Körperzellen sollen auf ein Stadium zurück "programmiert" werden, in welchem sie den Eigenschaften embryonaler Zellen sehr nahe kommen. Es wird, geht es nach den Vorstellungen der Forscher, dabei künftig weder eine Eizelle noch eine Samenzelle benötigt, um das nötige "Material" für alle Arten von Zellgewebe zu bekommen. Während diese Technik, die wohl eine grundlegende Überarbeitung der naturwissenschaftlich-ethischen Auseinandersetzung zum Beginn menschlichen Lebens erfordern wird, noch in den Startlöchern liegt, hat eine dritte Variante zur Herstellung eines menschlichen Embryos bereits große Fortschritte gemacht: jene des Klonierens.

Durchbruch beim (therapeutischen) Klonen
Folgendes Verfahren wurde kürzlich von einem Forschungsteam in den USA erfolgreich angewandt:
Man nehme eine entkernte menschliche Eizelle und setze ihr den Zellkern einer Hautzelle eines erwachsenen Menschen ein. Durch Stimulation wird das Gebilde dazu gebracht, sich zu teilen. Ein Embryo entsteht, welcher mit dem Hautzellspender genetisch identisch ist. Diesem Embryo entnehmen die Forscher Zellen, um sie zu kultivieren. Das Besondere daran ist, dass dabei embryonale Zellinien entstehen, die sich in jede erdenkliche Art von Zellen differenzieren können - und die vom Organismus aufgrund ihrer genetischen Beschaffenheit nicht abgestoßen werden.

Erfolgsmeldung erhält Arbeitsplätze
Was in den Debatten über die Forschung z.B. an embryonalen Stammzellen immer öfters erwähnt wird, ist die Tatsache, dass diese Forschung seit gut 15 Jahren im Grunde keine zählbaren Erfolge im Sinne von konkreten Therapieanwendungen beim Menschen aufweisen kann. Forschungsteams kämpfen verbissen z.B. gegen die Tumoranfälligkeit von aus Embryonen gewonnenen toti- oder pluripotenten Stammzellen. So werden embryonale Stammzellen eher als Referenzobjekte zur Forschung an adulten Stammzellen herangezogen. Viel zu hoch ist bislang das Risiko, den Patienten solche Zellen direkt einzupflanzen.  Es ist kein Geheimnis, dass dieser Umstand auf Dauer Arbeitsplätze gefährdet, und zwar Arbeitsplätze in den Forschungslabors. Öffentliche Steuergelder zur Finanzierung der kostenintensiven Grundlagenforschung fließen nur dann, wenn den politisch Verantwortlichen plausibel gemacht werden kann, dass die Forschungen im hohen Maße im öffentlichen Interesse der Bürgerinnen und Bürger liegen. Da kommt vielen die Meldung eines erfolgreichen therapeutischen Klonversuchs gerade recht. Der Fokus der Weltöffentlichkeit ist wieder auf das Thema gerichtet - ein Thema, das im Grunde nicht neu ist und aus ethischer Sicht einige Problemfelder beinhaltet.

Reproduktives Klonen: Warum eigentlich nicht?
Im Unterschied zum Verfahren des "therapeutischen" Klonens, bei welchem aus der mit einer Hautzelle befruchteten Eizelle embryonale Zelllinien für mögliche Therapien gezüchtet werden, zielt das reproduktive Klonen auf die Einpflanzung dieses Embryos in die Gebärmutter ab. Es soll ein genetisch identer Klon des Hautzellspenders hergestellt werden. Dieses Verfahren ist bislang weltweit verboten und geächtet - Warum eigentlich? Warum sollten wir genetisch identische "Partner" nicht auch für geborene Menschen herstellen dürfen? Die Natur "klont" ja schließlich ebenfalls mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in Form von eineiigen Zwillingen. Es entstehen zwei Babys mit identischer genetischer Ausstattung.

Klonen als Akt der Nächstenliebe?
Man stelle sich den Fall vor, dass ein junges Paar sein einziges Kind bei einem tragischen Unfall verliert. Wäre es nicht wunderschön, aus einer Hautzelle des verstorbenen geliebten Kindes einem genetisch identen Geschwisterchen das Leben zu schenken? Vielleicht könnte es auch passieren, dass das einzige Kind an einer unheilbaren tödlichen Krankheit leidet. Was spricht aus ethischer Sicht dagegen, dass ein mögliches zweites, genetisch wiederum identisches Kind, dem erkrankten mit einer Spende seines Knochenmarks, seines Blutes oder seiner Niere das Überleben sichert? Könnte dieses Szenario nicht auch als ein Akt der Nächstenliebe und der Fürsorge gewertet werden?

Das Klonschaf "Dolly" - Mahnmal und Horrorvision
Gegenwärtig sind die Aussichten für das sog. "reproduktive Klonen" aus rein technischer Sicht von unwägbaren Risiken für Fehlbildungen aller Art geprägt. Für das Klonschaf "Dolly", welches 1997 sensationell als erster erfolgreicher Klonversuch gefeiert wurde, waren hunderte Versuche nötig. Hunderte Male erzeugten die Forscher Missbildungen und Tumore aller Art, ehe ein einziges scheinbar gesundes Schaf zur Welt kam. Und auch Dolly war nicht gesund. Das Schaf alterte schneller als seine Altersgenossen und starb früh. Eine Horrorvision, so lautet der einhellige Tenor der Weltöffentlichkeit und auch der meisten seriösen Forscher bis heute, diese Technik beim Menschen anzuwenden.

Ein Gedankenexperiment
Nehmen wir an, es wird irgendwann doch möglich sein, in einem gesicherten Verfahren menschliche Klone herzustellen. Welche Einwände lassen sich aus ethischer Sicht jenseits des Risikos von Fehlbildungen etc. formulieren?
Für den Menschen gilt in erster Linie das Instrumentalisierungsverbot. Nach Immanuel Kant ist der Mensch als einziges Lebenwesen Selbstzweck und darf nicht nur als Mittel gebraucht werden:
„Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst."
Diese sog. "Selbstzweckformel" ist die Konsequenz daraus, dass Menschen Personen sind und damit Menschenwürde haben. Was bei jedem Tier und bei jeder Pflanze gang und gäbe ist, dass diese nämlich rein zum Nutzen für den Menschen gezüchtet werden dürfen, ist beim Menschen selbst streng verboten. Kant schließt nicht aus, dass wir andere Menschen auch als Mittel für etwas gebrauchen. Das entspricht einer offenkundigen Tatsache unseres alltäglichen Lebens. Entscheidend für ihn ist jedoch, dass bei jeder Inanspruchnahme eines Menschen zugleich immer auch seinem Selbstzweck gleichwertig Rechnung getragen wird. Aus moralischer Sicht soll das Ziel unserer Handlungen mit und an Menschen letztlich stets auf das Wohlergehen des anderen ausgerichtet sein.

"Ersatzteillager" vs. Menschenwürde
Einen Menschen mit der primären Absicht herzustellen, dass dieser den Verlust eines geliebten Kindes kompensieren oder auch organische "Ersatzteile" für ein krankes Kind liefern soll, wäre somit eine ethisch bedenkliche Instrumentalisierung. Es wird ein Mensch hergestellt und in erster Linie als Mittel verwendet, um einen ihm nicht selbst dienlichen Zweck zu erfüllen. Es geht dabei in erster Linie nicht um das Leben des klonierten Menschen als solchen, sondern um seine Funktion. Dies ist jedoch mit seiner Menschenwürde und der Würde seiner Person nicht vereinbar.

Dr. Michael Willam
EthikCenter

Linktipp:
Ein Artikel zum Thema in der "Zeit"