Der globale Handlungsbedarf bezüglich Umweltverschmutzung ist groß. Nach der Vorstellung der Enzyklika „Laudato si‘“ wurde beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch am Montag dieser Woche über die kritische Lage der heutigen Ökologie diskutiert. Jeder soll in seinem persönlichen Leben konkrete Schritte setzen, und sich so dem allgemeinen „Egal-Gefühl“ entgegenstemmen.

Wolfgang Ölz

„Laudato si‘“ sei, so Michael Willam vom EthikCenter in seiner Einleitung, mehr als ein gewöhnliches Lehrschreiben, weil es sich nicht nur an die Kirche wende, sondern an „alle Menschen guten Willens“. Die Gefahr bestehe nun darin, dass man die Enzyklika als „wunderbares Lehrschreiben“ liest, und dann schubladisiert. Die Frage muss lauten: Was ändert sich jetzt ganz konkret?

Tötet diese Wirtschaft?
Nach einem  Durchgang durch die Enzyklika von Werner Veith (Siehe "zur Sache") diskutierten die Podiumsteilnehmer/innen die Bedeutung der Enzyklika für unseren Lebensstil. Die Moderatorin Petra Steinmair-Pösel konfrontierte Mathias Burtscher von der Industriellenvereinigung Vorarlberg mit der päpstlichen Aussage „Diese Wirtschaft tötet“ aus „Evangelii gaudium“, dem ersten Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus. Burtscher strich zunächst die aus seiner Sicht positiven Aspekte der päpstlichen Dokumente hervor, wie die klare Position gegen Umweltzerstörung, Korruption und Kinderhandel. Die Kapitalismuskritik des Papstes sieht er allerdings vor dem Hintergrund, dass Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien stammt, während wir in Vorarlberg in vielen Bereichen Vorreiter seien. Auch als gläubiger Christ finde er sich darum in der Enzyklika nicht wieder.  

Nägel mit Köpfen
Rochus Schertler vom Naturschutzbund Vorarlberg hat sich mit seinem Vortrag „Das Ländle und die Gruselschau - Mit Lebenslust in den globalen Umweltwandel“ im Land bereits einen Namen gemacht. Er plädiert trotz düsterer Zukunftsszenarien, etwa in Bezug auf die Klimaerwärmung, dafür, dass Leben zu genießen, und dass dieser Genuss auch mit einer veränderten Alltagskultur möglich ist. Felix Rohner-Dobler, seit September 2015 im Pastoralamt für Schöpfungsverantwortung und faires Leben zuständig, setzt sich in der  Berufsschule als Religionslehrer seit 20 Jahren für Ökologie, Friede und Gerechtigkeit ein und sieht sich durch „Laudato si‘“ in seiner Arbeit bestärkt. Er hofft, dass bei der UN-Klimakonferenz vom 30. November bis 11. Dezember 2015 in Paris endlich „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden.  

Die Leiterin des Weltladens Egg, Carmen Willi, steht für fairen Konsum ein. Ihre Arbeit dient der Armutsbekämpfung. In „Laudato si‘“, so erwähnt sie lobend, seien die Ärmsten im Blick. Was die ungerechten Folgen der Fleischproduktion angeht, betonte Carmen Willi, sie sei keine Freundin von „Gar kein Fleisch“, aber sie vertraue sich selbst als Konsumentin, entgegen dem „Egal-Gefühl“ richtig entscheiden zu können, etwa nur ein bis zweimal in der Woche Fleisch zu essen.

Zur Sache

Die Enzyklika
Der Sozialethiker Werner Veith lehrt an der theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. In seinem Impulsreferat bot er einen rasanten Durchgang durch die gesamte Enzyklika „Laudato si‘“. Veith machte klar, dass das Erscheinen der Umwelt- und Sozialenzyklika ein halbes Jahr vor der UN-Klimakonferenz in Paris nicht zufällig sei, denn bei eben dieser Konferenz sollen endlich verbindliche, völkerrechtliche Gesetze etwa bezüglich der Reduzierung der Klimaerwärmung beschlossen werden. Veith strich heraus, dass Papst Franziskus selbst Kind italienischer Auswanderer nach Argentinien ist, und damit das Schicksal der Flüchtlinge am eigen Leib erfahren hat. Außerdem sei er Befreiungstheologe, allerdings argentinischer Prägung, und deswegen zwar nicht marxistisch-kommunistisch bestimmt, dafür aber entschieden eintretend für die „Option für die Armen“. Ein weiterer Schlüsselbegriff der bei „Laudato si‘“ immer mitgedacht werden soll, ist die Barmherzigkeit. Der Name des Papstes - „Franziskus“ - erweist sich in „Laudato si‘“ als Programm. Schon der Titel bezieht sich auf den heiligen Franziskus, der seinen Sonnengesang mit dem Lob des Schöpfers beginnt. Die Enzyklika ist getragen von einer Spiritualität der Freude, der Einfachheit und der Geschwisterlichkeit zwischen den Geschöpfen. Auch bezieht der Papst sich immer wieder auf die nationalen Bischofskonferenzen, und schlägt damit einen neuen, kollegialen Ton an. Der Papst nimmt etwa auch auf das Sozialwort der österreichischen Bischöfe von 2003 Bezug.

Die Veranstaltung zum Nachhören finden Sie hier.