Als Ergebnis des Prozesses "Sozialwort 10+" legt der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich eine Broschüre vor. Sie soll Gemeinschaften, die ihre Solidarität stärken wollen, als Orientierung dienen. Neben einer Analyse der gegenwärtigen Situation, finden sich in der Broschüre auch biblische Grundlagen sowie konkrete Handlungmöglichkeiten.

Mit einer neuen Broschüre will der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) den Pfarrgemeinden in Österreich Hintergrundinfos zu sozialen Fragen und konkrete Handlungsanregungen liefern, wie die Gemeinden ihr soziales Profil schärfen können. Die Broschüre steht unter dem Leitwort "Solidarische Gemeinde" und ist das Ergebnis des Prozesses "sozialwort 10+". An vielen krisenhaften Entwicklungen sei zu sehen, dass sich der gesellschaftliche Zusammenhalt aufzulösen droht, heißt es in der Broschüre. Immer mehr Menschen würden dadurch zu Verlierern. Die Kirchen seien durch ihre Grundlage, die Heilige Schrift, und ihre jeweiligen Traditionen aufgefordert, "für diejenigen einzutreten, deren Lebensgrundlagen und Lebensmöglichkeiten bedroht oder bereits in Frage gestellt sind".

Die Situation vieler Menschen sei bereits durch Anfälligkeit, Schutzlosigkeit und Unsicherheit geprägt. Sie bräuchten nicht nur materielle Unterstützung, sondern Teilhabemöglichkeiten und die Einbindung in soziale Netze. Die Gemeinden der Kirchen seien solche Netze. "Sie sind nahe bei den Menschen und können vor Ort, in der Nachbarschaft und in Partnerschaft mit anderen Akteuren im Bereich sozialer Arbeit wirken." Die Broschüre bietet zu Themenfeldern wie Existenzsicherung, Flüchtlinge oder Bettler Basisinformationen. Dabei wird auch mit Mythen wie "Die Mindestsicherung ermöglicht ein bequemes Leben", "Asylwerber nehmen uns Arbeitsplätze weg" oder "Bettler gehören alle zur Mafia" aufgeräumt.

Zu aktuellen Problemen führt die Broschüre weiters biblische Grundlagen an, die eine Orientierung bieten sollen. So wird zum Flüchtlingsthema etwa auf den Ausspruch Jesu "Ich war fremd, und Ihr habt mich aufgenommen" aus dem Matthäus-Evangelium verwiesen. Die Bibel sei von Anfang an durchzogen von Geschichten der Flucht und Migration, heißt es wörtlich und weiter: "Gottes Volk soll nie vergessen, dass es selbst fremd war in Ägypten und aus der Sklaverei geflohen ist. Auch Jesus kommt als Flüchtlingskind zur Welt". Die christlichen Kirchen seien durch Jahrhunderte Zufluchtsorte für Menschen in Not gewesen (Kirchenasyl). Daher würden die Kirchen bis heute weltweit für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen eintreten. Kirchliche Hilfsorganisationen leisteten dabei einen unverzichtbaren Beitrag. Die Gemeinden seien Orte der Gastfreundschaft, wo Asylsuchende Aufnahme und Unterstützung finden.

Zum Themenfeld "Arbeitslosigkeit" verweist die Broschüre auf den biblischen Schöpfungsbericht: "Gott setzte den Menschen in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre." Durch die Schöpfung berufe Gott alle Menschen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Arbeit erhalte dadurch einen besonderen Stellenwert. Sie sei Ausdruck der Menschenwürde. Durch sie könnten Menschen nicht nur ihre Lebensgrundlagen erwirtschaften, sondern auch sich entfalten und ihre Begabungen zum Wohl aller einbringen. Umso belastender sei daher die Arbeitslosigkeit. Gemeinden könnten wohl nur begrenzt selbst Arbeitsplätze schaffen oder zur Verfügung stellen. Aber sie könnten Räume bieten, wo Betroffene zusammenkommen und sich gegenseitig unterstützen, hält die Broschüre fest.

Im dritten Teil der Broschüre werden schließlich konkrete Handlungsanregungen präsentiert, die von den Pfarrgemeinden umgesetzt werden könnten. Zum Beispiel ein in Salzburg erprobtes "Erzählcafe" mit Bettlern, Wärmestuben in Wiener Pfarren oder die Initiative "Kaffee Sospeso: Teilen & Genießen". Die Idee: In teilnehmenden Lokalen (rund um Pfarren) kann man zwei Kaffees bezahlen - einen für sich selbst und einen für jemanden, der es sich nicht leisten kann. Das gleiche Prinzip gilt auch für kleine Snacks. Eine Idee der Caritas-Vorarlberg: "Spaziergänger" als Begleiter für Menschen mit Demenz. Dahinter verbergen sich speziell geschulte Freiwillige, die Menschen mit Demenz regelmäßig von zu Hause abholen und Zeit mit ihnen verbringen, sei es beim Spazierengehen oder bei einem Kaffee.

Projekt Sozialwort

Mit dem "Sozialwort" von 2003 setzte der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) einen Meilenstein. Alle Mitgliedskirchen hatten an der Erarbeitung mitgewirkt und das Ergebnis schließlich angenommen. Damit war es gelungen, dass Kirchen westlicher und östlicher Tradition gemeinsam eine Orientierungshilfe für die sozialen Fragen der Zeit geben konnten.

Zehn Jahre später beschloss der ÖRKÖ, die Impulse des Sozialworts wieder aufzugreifen: Ein einjähriger Prozess "sozialwort 10+" wurde im Auftrag des ÖRKÖ von der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) geplant und durchgeführt. In einer Reihe von Veranstaltungen wurden bewährte Aspekte des Sozialworts diskutiert sowie neu aufgekommenen soziale Fragen thematisiert. Aus den inhaltlichen Ergebnissen dieses Prozesses "sozialwort 10+" entstand schließlich die neue Broschüre, an der Vertreter der Katholischen Sozialakademie, der Caritas und der Diakonie mitwirkten.