Papst Franziskus fasziniert. Und zwar nicht nur die Gläubigen. Er lebt vor, was er sich von den Menschen im Allgemeinen und den ChristInnen im Besonderen erwartet. Papst Franziskus polarisiert aber auch. Was sich die Menschen von ihm erwarten oder auch erhoffen, war Thema des Gesellschaftspolitischen Stammtischs. Und eines war im voll besetzten Kolpinghaus sofort klar: Papst Franziskus lässt keinen "kalt".

Rund 180 Interessierte waren am 8. April der Einladung zum Gesellschaftspolitischen Stammtisch gefolgt, um gemeinsam ihre Hoffnungen und Erwartungen zum Ausdruck zu bringen. Nach einem Impulsvortrag von Dr. Andreas Batlogg wurde auf der Bühne mit Peter Klinger (Direktor der Caritas Vorarlberg), Pfr. Ralf Stoffers (Evangelische Pfarrgemeinde Bregenz) und Dr. Ursula Rapp (Institutsleiterin der KPH Edith Stein) weiterdiskutiert.

Der nackte Papst
„Arriva il papa nudo“, titelte eine italienische Zeitung: Der Papst kommt nackt daher. Und in der Tat: Franziskus trat auf die Loggia einzig mit der weißen Soutane bekleidet und dem Brustkreuz aus Eisen, das er seit seiner Zeit als Weihbischof trägt. Keine rote Mozetta (das ist der Schulterumhang) aus Samt, kein Hermelinbesatz, keine überreich verzierte Stola, nichts. - so beginnt der Impulsvortrag von Dr. Andreas Batlogg SJ, Jesuit und Chefredakteur der „Stimmen der Zeit“.

Schwarze oder rote Schuhe
Der Papst vom anderen Ende der Welt irritiert. Er verweigert die roten Schuhe und setzt mit seinen "schwarzen, ausgelatschten" Schuhen Signale. Auch wenn man da nicht zu viel reininterpretieren solle, weil es orthopädische Schuhe seien, erklärt Batlogg mit einem Augenzwinkern. Dennoch: Papst Franziskus wirkt authentisch und nicht gespielt. Und das ist für die Gläubigen vor allem eines: "ungewohnt und neu".

Der Papst macht sich klein und das ist gut so
"Der Papst macht sich klein und das ist gut so", so Batlogg weiter. Er nimmt seine Aufgabe "Diener der Diener Gottes" zu sein ernst und "fängt von unten an". Und: er fängt sich dabei natürlich auch Kritik ein: Zu direkt, zu volksnah und zu natürlich soll er sein. "Er busselt und umarmt, er wäscht Gefangenen die Füße", zählt Batlogg weitere "Fehltritte" des Papstes auf. Er fährt im Autobus statt in der Limousine, zahlt seine Rechnung selbst und will nicht in den päpästlichen Palast einziehen.  "Die erste Wochen sind eine Lernphase", habe Vatikansprecher Pater Federico Lombardi gesagt. Ob das nun für den Papst oder für alle gelte, sei dahingestellt.

Wer am Montag keine Zeit hatte oder aus anderen Gründen verhindert war, kann sich den Impulsvortrag online ansehen.

Kommentar "Frühlingsdüfte"

von Dr. Michael Willam, Leiter des Ethicenters

Es ist wahrlich eine „Monsteragenda“, die da Franziskus als dem frisch gebackenen Bischof von Rom und Oberhaupt von rund 1,2 Milliarden Katholiken auf den Schreibtisch gelegt wird: Grundlegende Reform der Kurie, Reform der Stellung der Frau in der Kirche, Reform des Pflichtzölibats, Reform der zentralistischen weltkirchlichen Strukturen, Reform des Umgangs mit Gescheiterten, die wieder aufbrechen wollen… die Liste mit Wünschen und Hoffnungen aus allen möglichen Richtungen, die an den neuen Papst herangetragen werden, ist lang.

Enttäuschungen sind da eigentlich vorprogrammiert. Dieser Mann kann es nicht allen recht machen, das steht bereits jetzt fest. Umso interessanter ist die Frage, was denn sein „Programm“ ist für das angetretene Pontifikat. Eine Kirche, die sich nur mit sich selbst beschäftige, werde alt und krank, meint Franziskus. Er wünscht sich eine Kirche, die selbst arm ist und zu den Armen, zu den „Rändern der Gesellschaft“ geht, auch wenn sie dabei Schaden nehmen könnte. Diese Aussagen haben Sprengkraft und treiben wohl so manchem treuen Kirchendiener die Schweißperlen auf die Stirn. Wagt es dieser Argentinier vom anderen Ende der Welt wirklich, die Botschaft des Evangeliums konsequent in die Tat umzusetzen? Es scheint Frühling zu werden in der Kirche. Riechen Sie auch schon den Duft des Flieders?