Wo steht die Kirche nach zwei Jahren Papst Franziskus? Dieser spannenden Frage stellten sich beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Dornbirner Kolpinghaus der Jesuit Andreas Batlogg SJ, die evangelische Theologin Sabine Gritzner-Stoffers, Dekan Erich Baldauf als Sprecher der Pfarrerinitiative und Andreas Feiertag von den Vorarlberger Nachrichten.

von Wolfgang Ölz

Der Jesuit und Chefredakteur der „Stimmen der Zeit“ Andreas Batlogg SJ ließ in seinem Impulsreferat immer wieder durchblicken, dass er die Amtszeit Papst Franziskus‘ außergewöhnlich positiv bewerte. Mit dem mittlerweile berühmten ersten Satz seines Pontifikates - „Brüder und Schwestern: Buona sera“ - habe er gezeigt, dass er mit den einfachsten Worten die Menschen erreicht. Gleichzeitig stehe ihm sein eigener Apparat reserviert gegenüber. Die Kurie tue sich im Dienst des Papstes schwer. Der Papst selbst rechne mit einem relativ kurzen Pontifikat, weil er Weihnachten 2015 schon 80 Jahre sein wird.  In der Medienwelt, so Andreas Batlogg, ist Papst Franziskus eine Projektionsfläche, er ist mit Erwartungen, Hoffnungen und Wünschen konfrontiert, die er unmöglich alle erfüllen kann. Der Papst gehe an die Ränder. Dies ist auch daran abzulesen, dass er vermehrt Kardinäle außerhalb Europas - etwa Lateinamerika, Afrika und Ozeanien - ernennt. Ein wichtiges Signal sieht Batlogg in der  Weihnachtsansprache 2014, der „Kurienschelte“, allerdings gelte diese Auflistung von spirituellen Krankheiten allen Christen, jeder  solle sich angesprochen fühlen.

Er geht zu den Ränder
Die Wirkung seiner mitunter hemdsärmeligen Aussagen, die sofort in mehrere Sprachen übersetzt werden, hat der Papst möglicherweise gelegentlich selbst unterschätzt. Sein Wort, dass das Schlagen von Kindern vertretbar sei, wenn die Würde des Kindes gewahrt wird, hat im deutschsprachigen Raum eine „Klapsdebatte“ ausgelöst, während die italienische Presse diesen Sager ganz anders bewertet hat. Jedenfalls sei die Reformagenda des Papstes eine andere als die Mitteleuropas, weil er weltpolitisch denken müsse. Seine erste Auslandsreise, jene nach Lampedusa, habe gezeigt, dass Papst Franziskus nicht nur an die geographischen, sondern auch an die existentiellen Ränder geht. Dem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ spricht Batlogg eine „prophetische“ Bedeutung zu. Der Papst sagt darin: „Mir ist eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“

Auch die erstmalige Befragung der Gläubigen im Vorfeld der Synode 2014 findet Batlogg bemerkenswert. In Vorbereitung ist eine Öko-Enzyklika unter der Mitarbeit von Bischof Erwin Kräutler. Auch die Reform der Vatikanbank zählt zu den positiven Punkten dieses Pontifikates. Zur Auswirkung des Pontifikats auf die Kirche in Österreich formulierte Batlogg etwas salopp: „Wilhelm Krautwaschl und Benno Elbs können die Bischofskonferenz nicht ändern, aber sie sind ein guter Anfang.“ Im Zusammenhang mit dem Priestermangel verlangte Papst Franziskus nach kühnen Vorschlägen.

Fußwaschung als Grundgeste
Bei der Familiensynode im Herbst werde es von großer Bedeutung sein, dass die Menschen in ihren komplexen Lebenswirklichkeiten wahrgenommen werden. Die Familie sei mehr und reichhaltiger als das Idealbild der Kirche. Es sollte aber keine Engführung auf die sogenannten (europäischen) „heißen Eisen“ stattfinden.
Die Fußwaschung durch Papst Franziskus zu Ostern sieht Batlogg als Grundgeste seines Pontifikats. Diese sei nicht gespielt, keine Pose, sondern erinnere an Jesus von Nazareth „dem wir eigentlich nachfolgen wollen“. „Bruder Papst“ sei ein nahbarer Hirte, der auch Fehler macht. Das Fazit von Andreas Batlogg ist zuversichtlich, er ist ein „Papstfan“ und dem Heiligen Geist dankbar, „dass er uns diesen Papst ermöglicht hat“.

Noch nicht alle Reformen umgesetzt
Dekan Erich Baldauf als Vertreter der Pfarrerinitiative zeigte sich in der anschließenden Podiumsdiskussion davon überzeugt, dass Jorge Mario Bergoglio seinen Namen - Franziskus - sehr bewusst gewählt habe. So wie Franz von Assisi hinausging zu den Armen, so will es auch Papst Franziskus. Es seien „bei weitem noch nicht alle Reformen umgesetzt, aber wir dürfen ihn auch nicht überfordern“. Der Papst habe Räume aufgemacht, und den Spielraum, der da wäre, ließen wir noch leer. Zum Priestermangel meinte Baldauf, dass es den zölibatären Mann als Priester in Zukunft nur noch selten geben werde, es müssten neue Zugänge für Frauen und Männer, Unverheiratete und Verheiratete eröffnet werden. Insgesamt sieht er, dass dieser Papst „sehr viel auf die Reihe gebracht“ hat, auch wenn nicht alle Reformen umgesetzt seien. 

Die evangelische Theologin Sabine Gritzner-Stoffers wünschte sich, dass auch in der katholischen Kirche das Priesteramt für die Frauen geöffnet wird. Da sieht sie den Papst noch zu wenig aktiv. Sie sei gespannt, was er noch zur Frage des Zölibats und der Geschiedenen-Wiederverheirateten sagen werde.
Andreas Feiertag von den Vorarlberger Nachrichten bezeichnete den Papst als Exzentriker, der Dinge tut, die niemand erwartet. Er setze sich derart über Konventionen hinweg, dass es „Spaß mache“. Franziskus sei aber auch wie eine Zeitbombe, die ticke, weil er einen Weg eingeschlagen habe, auf dem es kein Zurück gebe. Kritisch sieht Feiertag, dass Franziskus zwar eine „positive Sicht der Frau“ wolle, gleichzeitig aber die Priesterweihe verweigert wird. Persönlich bewertet er das Pontifikat des Papstes jedoch als sehr gut, weil es ihn selbst in den letzten zwei Jahren wieder näher zur Kirche gebracht habe.  

Was geschieht auf der Synode?
Aus dem Publikum kam die Frage, wie Papst Franziskus bewertet werde, wenn es bei der Familiensynode im Herbst z.B. zur Frage der Geschieden-Wiederverheirateten oder beim Umgang mit homosexuellen Menschen keine Lösungen gibt? Dekan Erich Baldauf gestand, dass er dann sehr enttäuscht wäre. Er hoffe aber, dass dies für die Menschen dennoch keine Austrittsgründe wären. Im Gegenteil: Selbst dann sollten Maßnahmen gesetzt werden, die Hoffnung hervorbringen.

(aus KirchenBlatt Nr. 19 vom 7. Mai 2015)