Die Wogen gehen nach wie vor hoch im Zuge des aktuellen Vorschlages der EU-Kommission zur Marktöffnung der kommunalen Wasserversorgung.

Kontroverse Debatte
Laut einem Vorschlag der EU-Kommission soll es in ganz Europa einheitliche Regeln für die kommunale Auftragsvergabe im Falle von angestrebten (Teil-) Privatisierungen im Bereich der Wasserversorgung geben. Solche Aufträge, so der Wunsch der Kommission, müssten künftig europaweit ausgeschrieben werden und dürfen nicht mehr „unter der Hand“ an regionale Dienstleistungseinrichtungen vergeben werden.
Während die einen von einer notwendigen Vereinheitlichung der Vergaberichtlinien im Sinne einer Öffnung für den freien Markt und damit einer transparenteren Gestaltung dieser Aufträge sprechen, formieren sich die anderen europaweit zum Widerstand gegen den eingebrachten Vorschlag.

"Ausverkauf" oder nicht? Ein Blick auf die Situation und die Argumente
Es ist vom „Ausverkauf“ der lebensnotwendigen Ressource Wasser die Rede. Es wird auf die Profitgier europäischer Konzerne wie „Thames Water“, „Abengoa“, die französischen Unternehmen „Veolia“ und „Suez“ sowie die deutschen Firmen RWE und Gelsenwasser verwiesen, deren Lobbyisten zu den Beratern der Europapolitiker zählen. Es wird befürchtet, dass die Kommunen gezwungen werden könnten, die Wasserversorgung an die großen Konzerne zu verkaufen. Wie immer lohnt es sich bei dieser hitzigen Debatte, die Argumente zunächst zu sortieren, um danach zu sehen, welche Befürchtungen tatsächlich berechtigt und welche unbegründet sind.

Die Situation in Vorarlberg
Zum einen ist ein Blick auf den Status quo der Wasserverwaltung unserer Gemeinden in Vorarlberg interessant. Bislang übernehmen speziell in den ländlichen Regionen Vorarlbergs eigene Wasserverbände- oder Genossenschaften die Aufgabe, auch für mitunter entlegene Gemeinden und Ortsteile die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten. Finanzielle Engpässe und die Notwendigkeit für Gemeinden zu sparen führten bereits vor zwei Jahren in Hohenems zur kurzfristigen Auslagerung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung: „Vorgesehen ist ein Holdingkonstrukt, bei dem die Wasser- und Abwasseranlagen an die "Stadtwerke Hohenems GmbH" im 100-prozentigen Eigentum der Stadt übertragen werden. Weiters soll eine "Kanal- und Wasser GmbH", die zu 49 Prozent im Eigentum der Stadt und zu 51 Prozent im Eigentum der Besitzgesellschaft steht, den laufenden Betrieb übernehmen.“, hieß es 2007 auf orf.at.  Groß war die (politische) Aufregung rund um diese Auslagerung in Hohenems, die prompt wieder rückgängig gemacht wurde – obwohl z.B. auch Bregenz bereits seit 1992 den Eigenbetrieb der Stadt in eine „Stadtwerke Bregenz GmbH“ umgewandelt hatte..

Für effizientere Verwaltung - gegen Profitorientierung
Wozu aber nun die ganze Aufregung? Was ist falsch, aus organisatorischen (und teilweise auch finanziellen) Gründen eine eigene GmbH zu gründen, welche unter Aufsicht der Gemeinden und Städte die Versorgung managt und übernimmt? Gar nichts, könnte man einwenden, solange das Ganze im Besitz der Gemeinde verbleibt und nicht profitorientiert betrieben wird. Negativbeispiele wie Portugal zeigen, dass eine marktwirtschaftliche Ausrichtung die Preise für die Endverbraucher hat explodieren lassen. Umgekehrt wird sich kein einigermaßen gut aufgestelltes Unternehmen auf ein Geschäft einlassen, bei welchem sich grundsätzlich nichts verdienen lässt. Die Befürchtung besteht darin, dass die Gemeinden die Wasserversorgung aus finanziellen Gründen mitunter auch an profitorientierte Unternehmen auslagern könnten und das Ganze außer Kontrolle gerät. Eine verpflichtende europaweite Ausschreibung zwingt zwar noch keine Gemeinde zur Privatisierung, sie leistet diesem Szenario jedoch Vorschub, so das Argument der Kritiker – und bringt die großen europäischen Konzerne in Stellung für die Eröffnung möglicher neuer Geschäftsfelder. Diese Befürchtungen sind ernst zu nehmen und bilden den Kern der Widerstandsbewegung der BürgerInnen Europas.

Wenn Geld zweitrangig ist
Um dieses Gut weiterhin für alle Menschen in Vorarlberg günstig zur Verfügung stellen zu können, sollte ein „privatisierungsfester Kern" kommunaler Aufgaben definiert werden.  Z.B. sollten die zentralen Bereiche öffentlicher Dienstleistung wie Bildung, Verkehr, Gesundheit, Energie- und auch die Wasserversorgung nicht der Marktlogik überantwortet werden. Hier darf nicht die Dynamik von Angebot und Nachfrage,  welche die Preise fallen oder steigen lässt, zum Tragen kommen, sondern Aspekte wie Versorgungssicherheit für BürgerInnen aus allen sozialen Schichten im Sinne eines Rechts auf sanitäre Grundversorgung, möglichst niedrige Preise und eine unbedingte Verpflichtung zur Qualitätssicherung.

Aufruf, Demokratie in Europa zu leben!
Wenn Sie sich der EU-weiten Bürgerinitiative anschließen möchten, können Sie sich hier eintragen.
Wenn bis September 2013 europaweit eine Million UnterzeichnerInnen gefunden sind, müssen sich die Gremien der EU damit befassen.

Folgende Forderungen werden gestellt:

1. Die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Bürger und Bürgerinnen das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung haben.

2. Die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen darf nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden. Die Wasserwirtschaft ist von der Liberalisierungsagenda auszuschließen.

3. Die EU verstärkt ihre Initiativen, einen universellen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung zu erreichen.

 

Dr. Michael Willam
EthikCenter