Vor gut 30 Jahren wurde der Buddhismus in Österreich als Religion anerkannt. Ein Gespräch mit Helmut Gassner, dem Begründer des „Tashi Rabten Studienzentrums“ in Frastanz.

 Von Aglaia Maria Mika

„Müssen Sie ausgerechnet heute ein Kind bekommen, wo doch der Dalai Lama in Feldkirch ist?“ Nach diesen Worten an meine Mutter half mir der Chefarzt mit einem gekonnten Handgriff auf die Welt. Und machte sich eilig auf, die Gegenwart des religiösen und politischen Oberhauptes der tibetischen Buddhisten auf dem nahegelegenen „Letzehof“ zu erleben.

Anerkennung. Das war vor 31 Jahren. Genauso lang ist der Buddhismus nun eine anerkannte Religion in Österreich. Zeitgleich mit diesem Ereignis trat der XIV. Dalai Lama 1983 erstmals in Österreich vor offizielles Publikum, und zwar am buddhistischen „Tashi Rabten-Zentrum“ bei Feldkirch sowie in der ausgebuchten Stadthalle in der Montfortstadt. Obwohl der Buddhismus sich damals weniger Bekanntheit erfreute als  heute, haben auch der damalige Landeshauptmann Kessler und Bischof Wechner den Dalai Lama empfangen.


Freiheit über Leben und Tod? 1981 vom außergewöhnlichen Tibetischen Meister Geshe Rabten Rinpotsche gegründet, beheimatet das Kloster und Studienzentrum in Frastanz inzwischen 14 Mönche, darunter manche der gebildetsten buddhistischen Meister Tibets. Viele von ihnen haben schwere Schicksalsschläge durchlebt. Mancher hat eine lebensgefährliche Flucht aus der Unterdrückung der Volksrepublik China hinter sich. Dennoch zeichnen sich die Ordensleute dieser Religion durch eine unbeschwerte  Heiterkeit aus. „Solange wir keine Freiheit über Leben und Tod haben, werden wir unweigerlich immer wieder in fatale Situationen geraten. Dies anzunehmen und trotzdem zu erfahren dass Bemühungen fruchtbar sind, bringt eine große Leichtigkeit ins Leben“, sagt Diplomingenieur Helmut Gassner, der selbst nach Abschluss seines Studiums buddhistischer Mönch geworden ist. Er war es auch, der 1981 Grund und Hof seinen Glaubensbrüdern aus Tibet zur Verfügung stellte.  Seitdem lebt er mit ihnen in der wachsenden religiösen Gemeinschaft. Und wenn er heute die Wahl hätte, sein Erbe erneut einzusetzen? „Ich würde es  genauso machen“, antwortet der Mönch und lacht.

Gemeinsame ethische Grundlagen. Insel einer fremden Kultur will der „Letzehof“ allerdings nicht sein. Die tibetischen Mönche sind unter dem Titel „Seelsorger“ eingewandert, die ein Einzugsgebiet von etwa 300 km Umkreis betreuen. Sie werden von sinnsuchenden Menschen um Rat gebeten. Darunter sind auch viele Christen, die durch den Dialog ihren Glauben neu verstehen können. „Die ethischen Grundlagen in Buddhismus und Christentum sind sich extrem ähnlich“, meint Gassner, der in beiden Religionen zuhause ist. Zudem sei die buddhistische Theologie ähnlich differenziert wie die westliche Wissenschaft, was viele Menschen sehr anspreche.

Religiöse Erbfolge. Doch wie ist zu verstehen, dass Rabten Tulku, die Wiedergeburt des Begründers Geshe Rabten, als kleiner Bub im nordindischen Dharamsala identifiziert und nach Europa gebracht werden konnte? Gassner meint, der Buddhismus erkläre die Fragen um Leben und Tod sehr genau. „Sobald sich der immaterielle Geist vom Körper löst, wird er wieder zur Existenz getrieben. Die großen buddhistischen Meister haben das Nirvana erreicht, also jenen Geisteszustand, in dem man seine Wiedergeburt wählen kann.“ So habe Geshe Rabten als Rabten Tulku erkennbar wiederkommen können. Identifiziert worden sei er von seinem Nachfolger, Abt Gonsar Rinpoche. Und Gassner konnte dann seine Einreise nach Europa vorbereiten. Sein Besuch sei den Eltern des Kindes sogar von einem Meister mit besonders geschulter Wahrnehmung vorausgesagt worden: „Es wird bald jemand aus dem Westen kommen und nach eurem Sohn fragen. Ihr sollt ihn empfangen und seinen Wünschen folgen, sonst unterbrecht ihr eine sehr wichtige Kontinuität“. Obwohl Rabten Tulku der erste Sohn seit drei Generationen gewesen sei, habe die Familie die Bestimmung des ruhigen, zurückhaltenden Kindes erkannt und ihn ziehen lassen. So kann der inzwischen in Mitteleuropa hochgeschätzte Lehrer Studenten lehren und begleiten.

Existenzgefährdender Tunnelbau. Welche Wünsche bleiben für Helmut Gassner nach solchen Lebenserfahrungen noch offen? „Schreiben Sie doch bitte, dass der geplante Lüftungsschacht für den Feldkircher Stadttunnel, der beim Stadtschrofen ganz in der Nähe des Klosters gebaut werden soll, unsere Existenz dramatisch gefährdet!“

30 Jahre nach meiner Geburt in der Nähe des Dalai Lama habe ich nun diese  Geschichte gehört und diese hat mich berührt.

Weitere Informationen:
www.rabten.at
www.stadttunnel.eu