Nach einem Impulsreferat der Züricher Pfarrerin Verena Mühlethaler kam es beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Kolpinghaus in Dornbirn zu einer sachlichen und fachlich versierten Diskussion.

Wolfgang Ölz

Gastgeber Michael Willam stellte in seiner Einleitung die Frage, ob wir unseren Wohlstand mit den Menschen, die in Massen nach Europa kommen, teilen müssen. Ängste ortete er sowohl bei den Kommenden, als auch bei den Menschen hier in Europa. Petra Steinmair-Pösel meinte in ihrer Anmoderation, dass die Angst kein guter Ratgeber sei, Angst führe zur Tyrannei der Mehrheit, während staatliche Politik Angst nehmen sollte.

Lob für spontane Hilfe
Bernd Klisch sagt, gegen Befürchtungen aus der Bevölkerung in Bezug auf den Flüchtlingsstrom, der auch Richtung Vorarlberg fließt, helfe nur: „Information, Information, Information.“ Wichtig sei der persönliche Kontakt zu den Asylwerbern, weil dann werde die Erkenntnis möglich, dass „Flüchtlinge Menschen sind wie wir“. Dieter Egger von der FPÖ meinte, man solle die „menschliche Ebene“ nicht außer acht lassen, denn „diese Menschen haben Unglaubliches durchgemacht“. Er sieht für die Politik eine Verantwortung für die eigene Bevölkerung und die Fremden, die zu uns kommen. Der grüne Landesrat Johannes Rauch betonte, dass die „spontane Hilfe gut geklappt“ habe. An dieser Stelle sprach er einen Dank an Rotes Kreuz, Feuerwehr, Bürgermeister, Kirchen und ehrenamtliche Helfer aus. Die Arbeit geschehe an einer Belastungsgrenze. Es könne passieren, dass das Innenministerium am Freitag um 17 Uhr anrufe, dass in zwei Stunden 40 neue Flüchtlinge kommen und dann muss gehandelt werden.  

Ressourcen der Asylwerber
Aus dem Publikum wurde gefragt, wie Dieter Egger zur Politik eines H.C. Straches stehe, der im Wiener Wahlkampf nur von Grenzzäunen rede. Egger entgegnete, er habe den Wunsch, mit der Situation im Land gut umzugehen. Johannes Rauch äußerte zum FPÖ-Wahlkampf in Wien und Oberösterreich, dass hier auf dem Rücken der Asylwerber Politik gemacht werde und die reale Gefahr bestehe, dass die Ängste im Land überhand nehmen könnten.
Johannes Rauch richtete in einem Statement den Blick auf die Ressourcen, die durch die Asylwerber ins Land kommen. Es gebe beispielsweise Syrer und Afghanen, die mit einer ungeheuren Geschwindigkeit Deutsch lernen und arbeiten wollen. Allerdings solle man auch die gegenwärtigen Probleme am Arbeitsmarkt und in der Wohnungsbeschaffung im Auge haben.

Fremde wie Christus aufnehmen
Pater Christoph Müller erinnerte in seinem Schlusswort daran, dass der Hl. Benedikt vor 1500 Jahren, in der Zeit der großen Völkerwanderung, gesagt hat, man solle einen Fremden wie Christus selbst aufnehmen. Wenn der Fremde dann eine Kritik am Kloster anbringt, solle man überlegen, ob Gott diesen Gast geschickt habe.

Recht auf freie Niederlassung?

Die Pfarrerin Verena Mühlethaler berichtete in ihrem Impulsreferat über ihre Arbeit mit Flüchtlingen in ihrer City Kirche „Offener St. Jakob“ in Zürich. Außerdem stellte sie ihre „Migrationscharta“ vor, die eine biblisch-theologische Sicht auf die Frage der Migration wirft. Kritisch beurteilte sie die Tendenz Flüchtlinge einzuteilen, sei es nun in politische oder wirtschaftliche Asylwerber. Dem setzte sie entgegen, dass es immer um einen bestimmten Menschen gehe. Deswegen schilderte sie zu Beginn das konkrete Emigrationsschicksal einer 25jährigen Frau namens Hagar aus Eritrea, die vor dem drakonischen Militärdienst in ihrer Heimat fliehen musste. Fünf Tage dauerte die Fahrt in einem winzigen, lecken Holzboot über das Mittelmeer. Heute lebt sie mit Asyl in der Schweiz. Ihren Mann, der ebenfalls fliehen musste, hat sie fünf Jahre nicht gesehen. Die Unsicherheit raubt ihr den Schlaf, sie lernt Deutsch und möchte einen Beruf erlernen. So wie Hagar ergeht es Millionen von Flüchtlingen. Das Asylgesetz in der Schweiz  wurde aber in den letzten Jahren immer weiter verschärft.

In dieser Situation hat sich vor zwei Jahren eine Gruppe von Pfarrer/innen zusammengetan, und eine Migrationscharta entworfen. Diese Charta verlangt u.a. eine neue Willkommenskultur und „Freie Niederlassung für alle“. Gerade dieses Diktum der „Freien Niederlassung“ stieß auf Widerspruch. Es sei „utopisch“. Pfarrerin Mühlethaler entgegnete, dass diese Forderung bewusst provokant formuliert sei und an die Realität angepasst werden müsse.   
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